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0779 - Der Nebelwolf

0779 - Der Nebelwolf

Titel: 0779 - Der Nebelwolf
Autoren: Jason Dark
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Bohlen unter meinem Gewicht bogen, und hatte dann die obere Kuppe des Hügels erreicht, wo Hoss Ivory schon auf mich wartete und aussah wie ein Wächter, der den Sumpf unter Kontrolle halten wollte.
    Er war bewaffnet. Über seiner Schulter hing das Gewehr. Es war ein Karabiner aus Armeebeständen, eine ziemlich alte Waffe, die aber noch ausgezeichnet in Schuss war, weil sie immer gepflegt worden war.
    »Das ist das Land der Toten«, sagte er mit tiefer Grabesstimme und bewegte seinen rechten Arm im Halbkreis. »Ein Sumpf, in dem das Böse lauert.«
    Ich wusste nicht, ob er mir Furcht einjagen wollte, er selbst hatte eine Gänsehaut bekommen. Sein Mund bildete einen Strich, die Haltung war gespannt und der Körper leicht nach vorn gebeugt.
    Seine Bemerkung konnte ich nicht bestätigen, denn von den Toten sah ich nichts, obwohl die Sicht verhältnismäßig gut war. Vor uns lag ein Meer aus grünen und braunen Farben, aus schimmernden Wasserinseln, die wie dunkle Augen blinzelten. Alles befand sich in ständiger Bewegung, denn der Westwind wühlte sich tief in die grauen Schwaden hinein. Er trieb sie voran. Der Wind kreuselte die Wasseroberfläche und kämmte die Gräser.
    Ich sah keine Tiere. Nicht mal Vögel hockten in den Bäumen. Über uns war der Himmel ein einziges graues Meer. Wo konnte der Herbst typischer sein als hier?
    Ivory schaute mich an. »Haben Sie meine Worte verstanden, John?«
    »Ja, schon.«
    »Und?«
    »Noch kann ich sie nicht bestätigen.«
    Er lächelte wieder. »Das habe ich mir gedacht, aber ich will Ihnen eines sagen: Diese Welt ist nur Oberfläche. Mehr sieht man normalerweise nicht. Und was darunter liegt, ist gefährlich.«
    »Dazu müsste man tauchen.«
    »Lassen Sie Ihren Spott, John, Sie werden noch genug zu sehen bekommen. Dann bin ich gespannt, wie sie reagieren.«
    »Okay, Hoss, Sie sind der Boss. Ich frage mich nur, wie es weitergehen soll? Werden wir die nächsten Stunden hier oben verbringen und nur beobachten?«
    »Wäre Ihnen das angenehm?«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, bestimmt nicht. Hier mag es für bestimmte Menschen zwar ganz nett sein, aber ich gehöre zu den Menschen, die sich lieber bewegen.«
    »Da haben Sie Recht. Das werden wir auch.« Als er meinen erstaunten Blick sah, musste er lachen. »Keine Sorge, wir werden keinen Dauerlauf auf diesem Hügel veranstalten. Ich hatte Ihnen schon gesagt, dass dieser Fleck so etwas wie ein Ausgangspunkt ist. Von hier geht es weiter. Das ist gewissermaßen ein Stützpunkt.«
    »Mit einem Boot, denke ich.«
    »Genau.«
    Jetzt sah die Sache schon anders aus. Ivory ging vor und winkte mir, ihm zu folgen. Seine Füße knickten das starre Sumpfgras. Er rutschte auf der anderen Hügelseite runter, hielt sich hin und wieder an den Zweigen kleiner Bäume fest, bis er vor der weiten Sumpffläche stehen blieb, die hier einen kleinen See bildete, auf dem sofort das Ruderboot auffiel.
    Hoss Ivory deutete auf den Kahn. »Damit setzen wir unseren Weg fort, John.«
    Ich war dafür. Das Boot war mit dem Bug an Land gezogen und an einem Pflock festgemacht worden.
    »Das erste Ziel haben wir erreicht«, sagte ich, als sich Hoss bückte und den Kahn ganz ins Wasser schob. »Wo ist das zweite?«
    »Auf dem Wasser.«
    »Was gibt es dort zu sehen?«
    »Sie werden sich wundern«, sagte er nur und nickte mir zu. »Los, steigen Sie ein!«
    Das Boot schwankte, als ich über die Bordwand kletterte und mich auf eine der beiden Bänke setzte. Hoss schob das Boot weiter ins Wasser und sprang in den Kahn. Er setzte sich auf die Bank in der Mitte und sagte: »Ich rudere.« Widerspruch schien zwecklos.
    »Dann komme ich mir so überflüssig vor.«
    »Keine Sorge, Ihre Zeit kommt noch.« Er hatte sehr ernst gesprochenund tauchte die Ruder ein. Er zog die Blätter durch und sorgte dafür, dass unser Kahn Fahrt machte. Mit dem kleinen Außenborder wäre das sicherlich schneller gegangen, doch Hoss wollte wohl lieber rudern.
    Wir zerschnitten die grünbraune Wasserfläche wie ein Messer den Kuchen. Ich wusste nicht, in welche Richtung wir fuhren, da musste ich mich schon auf Ivory verlassen, jedenfalls glitten wir hinein in eine für mich fremde, stille und unheimliche Welt, die mir mehr vorkam wie eine für uns aufgebaute Kulisse.
    Hier hatte das Sterben System bekommen. Ein totes Gelände, Moder und Fäulnis überwogen, doch das war nur der erste Eindruck.
    Wer sich näher mit dem Sumpf beschäftigte, der wusste, dass auch er voller Leben steckte und ungemein wichtig
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