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0779 - Der Nebelwolf

0779 - Der Nebelwolf

Titel: 0779 - Der Nebelwolf
Autoren: Jason Dark
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Kinderlied.
    Ich ging hin.
    Meine Füße kratzten durch das alte Laub. Es bedeckte den Boden wie ein großer Teppich. Die Mauer kam mir wie ein langer Schatten vor, über den Nebelstreifen glitten.
    Das Pfeifen blieb.
    Je näher ich kam, umso besser konnte ich es hören. Dann sah ich die kleine Gestalt, die an einer Mülltonne lehnte. Es war ein Junge, vielleicht zehn oder elf Jahre alt. Er pfiff auch dann noch, als er mich entdeckte.
    Dann sah ich, was bei ihm lag.
    Zwei tote, kleine Hunde.
    Ob er sie getötet hatte, konnte ich nicht erkennen. Jedenfalls waren sie schlimm zerrissen worden, als hätten Pranken sie einfach gepackt und sie zerfetzt.
    Das musste der Werwolf gewesen sein.
    Ich schritt um den blutigen Schauplatz herum und blieb neben dem Jungen stehen, der mich gar nicht bemerkte oder bemerken wollte, denn er pfiff auch weiterhin.
    Bevor ich in die Hocke ging, schaute ich mich um. Von der Nebelbestie sah ich nichts.
    »He«, sprach ich den Jungen an. »Kannst du mich hören?«
    Er pfiff weiter.
    Ich fasste ihn an.
    Da schrie er auf. Er fuhr herum und schlug plötzlich gegen mich, sodass ich gezwungen war, ihn loszulassen. Er schrie weiter, sein kleines Gesicht schien nur aus seinem Mund zu bestehen, als wäre ihm plötzlich klar geworden, was da geschehen war.
    Auf einmal »sackte« das Schreien weg. Als wäre es in einer unheimlichen Tiefe verschwunden und durch keuchende Atemzüge abgelöst worden. Der Junge konnte sich auch nicht mehr halten, er fing an zu zittern und fiel mir entgegen.
    Ich fing ihn auf. Er krallte sich an mich. Hätte mir die Mülltonne in meinem Rücken nicht den nötigen Halt gegeben, wäre ich zu Boden gefallen.
    Durch Streicheln versuchte ich, das Kind zu beruhigen. Es musste eine Hölle durchlebt haben. Wahrscheinlich würde es Jahre dauern, bis dieser seelische Schaden repariert war, aber der Junge lebte, und das gab mir wieder Hoffnung.
    Ich ging jetzt davon aus, dass es nicht alle Bewohner von Trevine erwischt hatte. Wahrscheinlich reagierten die Menschen verschieden auf den Angriff der schwarzen Flut, aber das war möglicherweise schon zu weit gedacht. Außerdem quälten mich jetzt andere Probleme.
    Ich musste mich um den Jungen kümmern.
    Er brauchte meine Fürsorge, was nichts anderes hieß, als dass ich ihn in Sicherheit bringen musste.
    Aber wohin?
    Gab es in diesem Ort überhaupt eine Stelle, die man als sicher bezeichnen konnte?
    Er schrie nicht mehr. Er weinte, ich wischte die ersten Tränen ab und sprach mit ihm. »Wir werden jetzt gehen.«
    Er hatte mich verstanden und nickte.
    »Sagst du mir deinen Namen?«
    »Dennis.«
    »Toll, ich bin John. Du wohnst hier, nicht?«
    »Ja.«
    Ich gab mir Schwung und kam auf die Beine. Den Jungen hielt ich dabei auf meinen Armen. Mit seinen Händen klammerte er sich in meinem Nacken fest.
    »Zeigst du mir den Weg nach Hause?«
    Er nickte.
    »Wohnst du denn weit von hier? Wer ist dein Vater, Dennis?«
    »Er ist Polizist. Wir wohnen hier in der Schule. Oben…«
    Es gab mir einen Stich, als ich die Antwort hörte. Wenn er einen Vater hatte, dann höchstwahrscheinlich auch eine Mutter, und nach ihr fragte ich.
    »Sie schläft.«
    »Dann werden wir sie wecken.«
    »Ja, aber vorsichtig. Ich darf sie sonst nicht wecken.«
    »Klar.« Als ich über den Schulhof ging, fing er an zu reden. »Das ist alles so schlimm. Ich habe die Hunde schreien hören. Die haben schrecklich geschrien. Ich bin dann nach draußen gerannt. Da war da ein großes Tier.«
    »Wo?« Ich blieb stehen.
    »Auf dem Hof.«
    »Und weiter?«
    »Es hat sich versteckt.«
    »Auch hier?«
    »Weiß ich nicht, John. Ich konnte das ja nicht sehen. Ich bin nur zu den Hunden gelaufen. Sie schlafen doch nur, oder? Ich habe mit ihnen gesungen. Ich habe ihnen auch ein Lied gepfiffen, das tat ich oft. Sie haben es so gern gehört…«
    O verdammt, O verdammt, dachte ich. Der Junge hat den Horror noch nicht begriffen. Hoffentlich blieb es noch eine Weile so. Als Kind hatte er wohl einen besonderen Schutzschirm um seine Psyche gelegt. Wie würde er reagieren, wenn er erfuhr, dass sein Vater nicht mehr lebte. Und was war mit seiner Mutter?
    Diese Situation hasste ich. Lieber gegen zwanzig Dämonen kämpfen, als so etwas mitzumachen. Ich spürte, wie der Junge anfing zu zittern. Wahrscheinlich kam ihm jetzt zu Bewusstsein, was er hinter sich hatte, und ich versuchte, ihn abzulenken. »Ich bringe dich zu deiner Mum. Da kannst du dich dann zu ihr ins Bett legen, ja?«
    »Bitte…«
    Ich ging
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