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077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

Titel: 077 - Zu Gast bei Mr. Vampir
Autoren: Peter Randa
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Angst.“
    Eine seltsame, metallische, autoritäre Stimme. Jeannine versucht Leggatts Stimme wiederzuerkennen, aber sie ist nicht sicher.
    „Haben Sie keine Angst“, fährt die Stimme fort. „Nein, Sie dürfen keine Angst haben, denn sonst ist alles verloren. Alle anderen haben Angst gehabt.“
    Alle anderen? Jeannine gelingt es ruhig zu bleiben, obwohl die Panik ihr Inneres wie mit einer eisigen Hand umfaßt.
    „Ich habe keine Angst“, sagt sie deutlich.
    Aber er muß merken, daß sie lügt. Nein, doch nicht.
    „Man hat immer Angst vor etwas, das man nicht kennt“, sagt die Stimme. „Vielleicht verstehen Sie jetzt nicht, was mit Ihnen geschieht, aber später werden Sie mir dankbar sein. Vorausgesetzt, Sie haben keine Angst.“
    Ein Lachen.
    „Wenn Sie keine Angst haben, dann erwartet Sie eine märchenhafte Zukunft! Eine Zukunft ohnegleichen.“
    Jeannine versucht angestrengt in der Dunkelheit einen Schatten zu erkennen. Aber es ist vergeblich.
    „Sie können mich um alles bitten, was Sie haben wollen; ich kann Ihnen jeden Wunsch erfüllen: ewige Jugend, Reichtum, unbegrenzte Macht…“
    „Sind Sie es, Monsieur Leggatt?“
    „Leggatt? Warum Leggatt?“
    Er muß es sein. Jeannine erkennt gewisse Tonlagen seiner Stimme wieder, wenn sie auch verändert ist.
    „Sie sind nicht Leggatt?“
    „Lassen Sie mich mit diesem Hampelmann in Ruhe.“
    „Weshalb hat er mich hergebracht?“
    „Aber Sie wollten doch herkommen.“
    Seine Stimme klingt erstaunt und überrascht.
    „Sie haben mich doch entführt!“
    „Ich? Ich habe Sie gefunden! Sie haben auf mich gewartet. Ich bringe niemals irgend jemanden hierher. Hierher kommt man von allein. Aber alle, die gekommen sind, hatten Angst, und ich mußte von vorn beginnen. Seit Jahrhunderten immer das gleiche. Und Sie werden auch Angst haben. Schreckliche Angst. Und das wird mir beweisen, daß Sie nicht würdig sind.“
    Ein Wahnsinniger. Jeannine unterdrückte einen Schrei. Ein Wahnsinniger, den die Angst der anderen rasend macht. Ein Monster, das sich in Nacht und Dunkelheit versteckt.
    Denn bei Licht gäbe er wohl eine lächerliche Figur ab.
    Jeannine schließt die Augen, um ihren ganzen Mut zu sammeln. Sie zittert, aber sie zwingt sich zur Ruhe.
    „Ich habe keine Angst. Ich habe niemals Angst.“
    Der Schweiß rinnt über Jeannines Gesicht. Ihre Kehle ist wie zugeschnürt, aber ein Hoffnungsschein zeigt sich; solange er redet, solange er mit ihr spricht – solange kann sie auf sein Spiel eingehen. Auf das Spiel eines Wahnsinnigen, eines Narren.
    „Wer sind Sie?“ fragt sie mühsam.
    „Hast du immer noch nicht begriffen? Ich bin der absolute Meister der Menschen und der Dinge. Der Gebieter des Tages und der Nacht.“
    Wieder sein Lachen, diesmal stärker als zuvor.
    „Unzählige Namen hat man mir gegeben: Sokar … Seth … Baal … Achriman … Andere kennst du sicher: Luzifer, Iblis, Beelzebub, Mephistopheles, Satan … Ja, ich bin Satan!“
    Er schweigt. Die Stille lastet schwer auf Jeannine.
    „Jetzt hast du Angst“, sagt die Stimme brutal.
    „Nein.“
    „Du mußt einfach Angst haben! Sage mir, daß du Angst hast, und ich binde dich los.“
    „Nein.“
    Sie fühlt beinahe körperlich, wie sehr sie ihn aus der Fassung bringt.
    „Ich will aber, daß du Angst hast“, schreit er. „Alle anderen hatten Angst. Wenn du keine Angst hast, muß ich mit dir teilen … meine Macht mit dir teilen. Sag, daß du Angst hast. Du hast Angst.“
    Seine letzten Worte brüllt er wie ein waidwundes Tier.
    „Nein.“
    Jeannine ist wie erstarrt. Sie hat seine schwache Stelle entdeckt und ist entschlossen, sie auszunützen. Alle Geisteskranken haben ihre eigene verdrehte Logik, ihre eigenen, absurden Gesetze. Sie sind gezwungen danach zu handeln. Und Jeannine weiß, daß sie ihre Angst verbergen muß, wenn sie ihn unsicher machen will. Wieder spürt Jeannine die Hände auf sich.
    „Hören Sie auf damit“, sagt sie verächtlich. „Sie erschrecken mich nicht. Sie machen sich nur lächerlich.“
    Sie weiß selbst nicht, woher sie den Mut nimmt, diese Worte auszusprechen.
    Die Hände entfernen sich, und die Stimme beginnt zögernd:
    „Keine Angst … keine Angst … also bist du einverstanden mit dem Pakt?“
    „Mit welchem Pakt?“
    „Der Pakt, mit dem du mir deine Seele verkaufst.“
    Sie lacht nervös. In der Stimme des Mannes liegt etwas Mitleiderregendes. Sie klingt unsicher und winselnd. Alle Drohungen haben sich plötzlich aufgelöst, sind zerplatzt wie
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