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077 - Der Schrei des Vampirs

077 - Der Schrei des Vampirs

Titel: 077 - Der Schrei des Vampirs
Autoren: A.F.Morland
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keine Angst«, sagte Jimmy freundlich. »Ich will dir nichts tun. Ich will dir nur helfen. Ich bin dein Freund.«
    Er teilte die Zweige, drückte sie auseinander, wühlte sich zum Zentrum des Busches vor. Je näher er dem Tier, das sich darin gefangen hatte, kam, desto aufgeregter reagierte es.
    Es fiepte wie eine Ratte - oder eine Maus -, vollführte kleine Hüpfer, versuchte zu fliehen.
    »Du brauchst dich vor mir wirklich nicht zu fürchten«, sagte Jimmy beschwichtigend. »Hör auf, so verrückt um dich zu schlagen, sonst verletzt du dich noch mehr.«
    Wieder bog er ein paar Zweige auseinander, und dann purzelte ihm etwas Smaragdgrünes entgegen.
    Ein grüner Lappen, der zuckte und zappelte. Ein Fetzen, der lebte und mit einer dünnen Stimme kreischte. Das ängstliche Tier klammerte sich an den Stoff des Schlafanzugs.
    Jimmy bückte sich, um es aus der Nähe in Augenschein zu nehmen.
    Zweifellos war das kein Vogel, aber das Tier hatte Flügel, die es jetzt schnell hin- und herbewegte. Es schien auffliegen zu wollen, konnte aber nicht mehr die Kraft dafür aufbringen, und der linke Flügel bewegte sich ein bißchen langsamer und hing etwas tiefer.
    Also doch verletzt, dachte Jimmy Dillaway.
    »Mach dir keine Sorgen, mein Kleiner, das kriegen wir schon wieder hin«, sagte der Junge. »Ich bin fast so gut wie ein Tierarzt. Weißt du, daß du Glück hast? Ja, wirklich. Großes Glück sogar, daß ich dein Schreien gehört habe.«
    Jimmy umschloß den zitternden Körper mit beiden Händen. Er fühlte sich weich und haarig an. Ein Pelz! Das Tier hatte sich so sehr in den Stoff seines Pyjamas verkrallt, daß er es nicht gleich hochheben konnte.
    »Wirst du wohl loslassen?« sagte der Junge lächelnd. »Ruhig. Ganz ruhig. Es geschieht dir nichts. Im Gegenteil.«
    Weich war der kleine Körper, aber nicht warm. Eine unerklärbare Kälte ging von dem Tier aus. Doch Jimmy Dillaway machte sich deswegen keine Gedanken.
    Sobald er den Kleinen losgehakt hatte, trat er damit zwei Schritte zurück, hob ihn hoch und sagte: »Nun laß dich mal ansehen, du Angsthase.«
    Das behaarte Tier drehte sich, und Jimmy erkannte, daß er es mit einer Fledermaus zu tun hatte. Sie war abstoßend häßlich, hatte eine plattgedrückte Schnauze, spitze Ohren und rote Augen.
    Dies war nicht die erste Fledermaus, die Jimmy sah, aber es schien sich hierbei um eine merkwürdige Rasse zu handeln. Erstens war das Tier nicht schwarzbraun wie andere fliegende Mäuse, und zweitens war es trotz seiner erkennbaren Jugend mindestens dreimal so groß wie jene Fledermäuse, die Jimmy kannte.
    »Einen Schönheitspreis würdest du nie gewinnen«, sagte der Junge amüsiert. »Aber das macht nichts. Ich finde dich trotzdem niedlich. Bist wohl im Fliegen noch nicht besonders geübt, was? Na, mal sehen, was ich für dich tun kann. Ich denke, ich bringe dich erst mal ins Haus.«
    Das Tier öffnete sein Maul, und Jimmy sah häßliche, dornenspitze Zähne.
    Er lachte leise. »Du hast doch nicht etwa vor, deinen Retter zu beißen, he? Kleiner, das würde ich dir übelnehmen.«
    Jimmy schloß die Hände etwas fester um den weichen Tierkörper und trabte los.
    Das Grau des Morgens hellte sich mehr und mehr auf, und die smaragdgrüne Fledermaus duckte sich ängstlich in den hohlen Händen des Jungen.
    Jimmy kehrte ins Haus zurück. Er setzte das Tier auf die Garderobenablage, direkt vor den Spiegel.
    Es fiel ihm nicht auf, daß die Fledermaus im Spiegel nicht zu sehen war. Wie hätte er auf die Idee kommen sollen, darauf zu achten?
    Rasch schloß er die Tür ab. Dann schlüpfte er aus den Sportschuhen und wandte sich wieder seinem lebenden Fund zu. Die Fledermaus preßte zitternd ihre Flügel gegen ihren Körper und versuchte gleichzeitig ihren Kopf damit zu schützen.
    »Komm«, sagte Jimmy freundlich. »Ich zeige dir jetzt mein Zimmer. Es wird dir gefallen. Du kannst da wohnen, so lange du möchtest.«
    Er benützte die Hände wie Baggerschaufeln, schippte die Fledermaus hoch und trug sie die Treppe hinauf. Bald würde es auch hier im Haus lebendig werden.
    Vater war fast immer der erste im Bad. Dann kam Mutter. Sie machte zunächst um die Morgentoilette nicht viel Aufhebens, sondern kümmerte sich um das Frühstück für die Familie, bevor sie sich noch mal ins Bad begab und »einen ordentlichen Menschen aus sich machte«, wie sie das zu bezeichnen pflegte.
    Jimmy zog sich mit seinem neuen Freund in sein Zimmer zurück. Er trug die Fledermaus zum Bett, legte sie auf das
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