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0768 - Lady Bluthaar

0768 - Lady Bluthaar

Titel: 0768 - Lady Bluthaar
Autoren: Jason Dark
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ihnen die Arme entgegen und unterschied sich in dieser Haltung nicht von den anderen Pesttoten.
    Selbst dem Steuermann waren die Schreie nicht entgangen. Er hatte seinen Platz am Ruder verlassen, schaffte sich freie Bahn, indem er diejenigen wegstieß, die ihn behinderten.
    Sein Gesicht zuckte nur, als er Camacho in der Pestgrube liegen sah. »Holt ein Seil!« schrie er dann.
    Als nicht sofort reagiert wurde, schaffte er sich durch Tritte Respekt.
    Kurze Zeit später flog das Seil in die Pestgrube. Drei Männer hielten es. Zahlreiche Hände versuchten es zu packen. Die Kranken wollten aus ihrer Hölle heraus. Da war Camacho schneller. Brutal stieß er die anderen aus dem Weg. Er schlug sich das Tauende um den rechten Arm und hielt es auch noch mit der linken Hand fest, als er zu dem Steuermann hochschaute.
    Ein vierter kam noch hinzu. Gemeinsam schafften es die Männer, Camacho aus der Grube zu ziehen. Er bebte, er jammerte und fluchte auch. Selbst als er festen Boden unter den Füßen spürte, konnte er sich kaum beruhigen. Keiner war da, der ihn fassen wollte. Die Männer wichen vor ihm zurück, als hätte er schon jetzt die Pest bekommen.
    »Was glotzt ihr so?« brüllte er, zog seine Peitsche, schlug wahllos um sich, traf auch einige Körper, bis ihm der Steuermann den Arm auf den Rücken drehte.
    »Laß es. Geh baden!«
    Camacho nickte. Baden, das bedeutete nichts anderes, als in ein Faß zu steigen und sich abzuwaschen. Es stand am Bug des Schiffes, wo auch einige Hängematten hingen. Sie waren leer. Erst am Abend würden sie sich füllen.
    Camacho zog sich aus.
    Das Faß war gut gefüllt. Der Steuermann blieb bei ihm und schaute zu, wie Camacho hineinstieg.
    Noch immer hatte er sich nicht beruhigen können. Zwar schrie und tobte er nicht mehr, aber in seinem Gesicht stand das blanke Entsetzen.
    Das sah auch der Lange. »Was ist geschehen?«
    »Ich war bei ihr.« Er sprach sehr leise.
    »Und?«
    »Ich… ich erlebte das Grauen. Ich glaube… nein, das kann ich nicht sagen.«
    »Warum nicht?«
    »Sie ist… sie ist eine Hexe…« Er hatte es nicht sagen wollen, aber jetzt war es heraus, und selbst der abgebrühte Steuermann erbleichte. Er trat zurück, schlug ein Kreuzzeichen, das Camacho bewußt nicht wahrnahm, weil er damit beschäftigt war, sich zu reinigen. Er scheuerte über seinen Körper, als wollte er selbst die Haut abreiben. Erst als er aus dem Bottich stieg, stellte der Lange eine nächste Frage.
    »Wirklich eine Hexe?«
    Camacho nickte nur.
    »Und weiter?«
    Der Angesprochene griff nach seiner Kleidung und streifte sie über. Eine weitere Erklärung gab er nicht. Er wollte nicht noch mehr Unruhe stiften…
    ***
    Am späten Nachmittag verdunkelte sich der Himmel, und am frühen Abend brach der Sturm los.
    Die Männer kannten sich aus und hatten die entsprechenden Vorbereitungen getroffen. Das bewegliche Gut war so gut wie möglich festgezurrt worden, man hatte die meisten Segel eingeholt, doch als sie dann den Himmel betrachteten, verließ sie der Mut.
    Er war düster. Er war anders. Er setzte sich aus den Farben Schwarz und Grau zusammen, und diese wiederum zogen sich zu einem Mittelpunkt hin zusammen, der gelblich schimmerte und wie das Auge eines Raubtieres wirkte.
    »Höllenauge«, flüsterte jemand und schüttelte sich. »Der Satan schaut uns ZU.«
    Die anderen nickten. Sie waren käsig geworden. An Deck fühlten sie sich verloren, und sie klammerten sich schon jetzt an den gespannten Tauen fest, als wäre der Sturm bereits dabei, seine mächtigen Wellen über das Schiff zu schleudern.
    Einige sahen aus, als hätten sie Magenschmerzen. Sie hätten sich überall hingewünscht, nur nicht dort, wo sie standen, und selbst die Pestkranken waren verstummt. In düsteres Schweigen eingepackt lagen sie in ihrer Luke. Nur ab und zu stöhnte jemand auf. Aber es gab auch einen, der seine Stimme erhob. Als er laut redete, da hörte es sich an, als würde er aus einem offenen Grab sprechen.
    »Ihr Hundesöhne, ihr Verfluchten der Hölle. Es ist die Rache des Himmels, der euch diesen Sturm schicken wird. Ihr werdet verrecken, ersaufen, jämmerlich ertrinken, das Meer wird euch fressen, wie es schon viele andere vor euch gefressen hat. Es gibt kein Entrinnen. Wer die Hölle reizt, der kommt darin um…«
    Jeder hörte die Worte. Sie waren für die Männer wie ein Fluch. Selbst in den entferntesten Ecken des Decks waren sie zu vernehmen, und sie trafen die Besatzung wie wuchtige Hammerschläge.
    Keiner traute
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