076 - Der magische Schrumpfkopf
kamen, und es lohnte nicht, sich vorher deswegen den Kopf zu zerbrechen.
Der Lamborghini wurde eine Woche später geliefert. Bei den Arbeitern und Angestellten der Firma Röder & Co und im Dorf erregte er Staunen und Bewunderung.
Am nächsten Tag fuhr Röder mit dem Lamborghini zum Reitstall.
„Ich habe mir einen neuen Wagen zugelegt“, sagte er zu Barbara, als sie durch die Wälder trabten.
„Die Geschichte deines Hauptgewinns hat die Runde gemacht“, erwiderte sie. Das Verhältnis zwischen ihnen war nach wie vor kameradschaftlich und herzlich. Barbara behandelte Röder wie den sprichwörtlichen guten Freund. „Du hast wirklich unverschämtes Glück. Ich finde es richtig, daß du den Wagen behältst.“
„Wir könnten heute abend zum Tanzen fahren. Ich kenne ein sehr nettes kleines Lokal.“
„Nanu? Du bist doch sonst immer in deine Arbeit vergraben?“
„Von Zeit zu Zeit komme ich an die Oberfläche. Wie heute abend zum Beispiel.“
Sie ritten eine Weile schweigend weiter. Der Himmel war trübe und grau. Die Tannen-, Buchen – und Eichenbäume glänzten feucht.
„Wenn du willst, können wir übermorgen oder am Wochenende fahren“, sagte Barbara schließlich. „Heute abend bin ich sehr beschäftigt und morgen abend ebenfalls.“
„Mit Alfred Low?“ fragte Röder und hätte sich gleich hinterher am liebsten auf die Zunge gebissen.
„Morgen ja“, sagte Barbara, indem sie nach altbewährter Taktik die Hälfte zugab. „Was stört dich daran?“
„Mich? Nichts. Was sollte mich daran stören?“
Barbara vermied es, Röder anzusehen. So bemerkte er nicht die kleinen belustigten Funken, die in ihren Augen tanzten. Barbara Steinfelder hatte eine Ehe hinter sich und war eine lebenslustige Frau. Sie war jetzt fünfundzwanzig Jahre alt und hatte einiges erlebt.
„Ich kenne Alfred, seit ich hier bin, und er ist sehr nett.“
„O ja“, sagte Röder. „Als Verkaufsleiter ist er viel unterwegs. Sehr sicher ist die Position nicht, da kommen und gehen die Leute. Berufsbedingt ist er wohl auch etwas leichtsinnig in manchen Dingen, aber auf seine Art ist er sehr tüchtig und sympathisch.“
Barbara lachte hell heraus.
„Er hat auch schöne Beine, abgesehen davon, daß sie krumm sind und in Plattfüßen enden“, sagte sie. „Ach, du hast schon eine Art, jemanden scheinbar zu loben und dabei alle seine schlechten Seiten bloßzulegen. Ich dachte, das sei eine weibliche Eigenschaft.“
„Ebensowenig wie der Klatsch“, entgegnete Röder. „Was glaubst du, was die Männer in der Fabrik für Zeit verreden?“ Unvermittelt fragte er: „Liebst du Alfred Low, Barbara?“
„Das geht dich nichts an“, erwiderte sie gelassen. „Er ist mein Freund, wenn du das meinst. Ich denke aber nicht daran, mein Gefühlsleben vor dir auszubreiten.“
„So habe ich es auch nicht gemeint. Es war nur eine Frage. Also gut, fahren wir übermorgen. Kann ich dich um acht abholen?“
„Okay.“
Nachdem sie die Pferde zum Reitstall zurückgebracht hatten, führte Röder den Lamborghini vor. Barbara war von dem Wagen begeistert wie ein kleines Kind. Sie setzte sich ans Steuer, nachdem sie den Sitz entsprechend eingestellt hatte, ließ den Motor aufheulen.
Sie fuhren eine Runde um die Stadt. In den Sitzen lag man fast und fühlte sich wie im Cockpit eines Düsenjägers. Das Vibrieren, die geballte Kraft des Motors, die der Fuß auf dem Gashebel beherrschte, war in jedem Glied, in jeder Pore zu spüren. Mit seiner langgestreckten, flachen Schnauze sah der Lamborghini fast aus wie ein Geschoß.
Im Innern roch es nach dem Leder der Sitze und etwas nach Eisen und heißem Öl.
„Herrlich!“ sagte Barbara. „Das ist ein Wagen!“
Wie unbeabsichtigt ließ Röder seine Hand auf ihrem Schenkel ruhen.
„Fahr rechts ran“, sagte er. „Ich gehe wieder ans Steuer.“
Als der Wagen hielt, umarmte und küßte er die Frau. Für ein paar Augenblicke erwiderte sie seine Küsse leidenschaftlich. Dann stieg sie aus, ging um den Wagen herum und setzte sich auf den Beifahrersitz, nachdem Röder hinters Steuer gerutscht war. Sie zog ihren Lippenstift nach, betrachtete ihr Gesicht in dem Spiegel an der Sonnenblende.
Röder fuhr zurück zum Reitstall.
Barbara lächelte.
„Am Donnerstag zur verabredeten Zeit“, sagte sie, stieg aus und ging zu ihrem Wagen.
Röder sah ihr nach, als sie davonfuhr. Er wußte jetzt nicht mehr, woran er war. Ratlos hob er die Schultern. Es mochte Frauenkenner geben, die aus einem Blick,
Weitere Kostenlose Bücher