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0749 - Hort der Wölfe

0749 - Hort der Wölfe

Titel: 0749 - Hort der Wölfe
Autoren: Timothy Stahl
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Tobak, der ihm hier aufgetischt wurde - selbst für seine Begriffe…
    »Und du? Was bist du, alter Mann?«, fragte er als Nächstes und sehr betont.
    »Ich bin ein alter Mann.« Old Man lächelte.
    Bane grinste zurück. »Ich weiß nicht, warum, aber das glaube ich dir sogar. Aber wieso sieht man es dir nicht an?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte Old Man, »aber ich will versuchen, sie möglichst kurz zu erzählen.« Er räusperte sich. »Ich kann nicht sicher sein, aber ich glaube, dass ich der allererste ›weiße‹ Wolf war. Ich fand es heraus, als ich noch sehr jung war, vor sehr, sehr langer Zeit, lange bevor die ersten weißen Männer ihren Fuß auf diesen Kontinent setzten.«
    Allein die Vorstellung dieses ungeheuren Zeitraums ließ Royce Bane schaudern, obgleich auch ihn die Zeit nicht so berührte wie andere Menschen…
    Old Man sprach weiter: »Woher diese Gabe kam, weiß ich nicht. Sie war einfach in mir, mein besonderes Talent, so wie andere sich auf Schnitzarbeiten oder sonst etwas verstehen. Es war mir also möglich, den ›bösen‹ Wolf in mir zu bezähmen, und ich lernte, mit Hilfe dieses Ortes hier, an den ich vor vielen, vielen Wintern kam, diese Gabe auch in anderen zu wecken und sie zu führen.«
    »Schön und gut, so weit kann ich folgen«, warf Bane ein. »Aber das beantwortet meine Frage nicht. Warum alterst du nicht?«
    »Geduld, mein Freund, Geduld«, bat Old Man, »hör mir weiter zu. Ich alterte durchaus, damals, und wurde alt, wenn es auch länger dauerte als bei normalen Menschen. Dazu musst du wissen, dass die Selbstheilungskraft, die uns Wölfischen eigen ist, auch die natürliche Alterung verlangsamt. Ein Wölfischer also, der aussieht, als zähle er fünfzig Winter, kann gut die doppelte Anzahl an Jahren alt sein.«
    Bane glaubte zu wissen, worauf die Geschichte hinauslief, ließ den Alten aber weitererzählen.
    »Als ich ein sehr, sehr alter Mann war, stellte ich fest, dass mein Körper nicht mehr weiter alterte - und schließlich erwies sich die Kraft zur Selbstheilung in mir als so stark, dass sie der Alterung nicht nur Einhalt gebot, sondern sie umkehrte.«
    Bane schluckte trocken. Demnach konnte Old Man buchstäblich uralt sein. Und wenn man den Gedanken weiterspann, dann…
    »Und wie weit wird diese Verjüngung gehen?«, fragte er vorsichtig.
    Old Man zuckte die Achseln. »Wer weiß? Irgendwann werde ich es erleben.«
    »Aber vielleicht nicht -überleben«, sagte Bane.
    »Alles Leben endet mit dem Tod«, erwiderte der Alte. »Auch ein solches wie das meine.«
    Bane nickte stumm, dachte nur: Ja, wie wahr. Alles Leben endet mit dem Tod - nur gewöhnen werde ich mich nie daran.
    Schweigen stahl sich zwischen die drei Männer und führte ein Thema mit sich, das sie zwar schon angesprochen, nicht aber besprochen hatten.
    Dieses unliebsame Thema war Royce Bane selbst.
    Old Man hatte ihm gesagt, dass er ihn ›untersucht‹ und festgestellt hatte, dass der Wolfskeim, mit dem Strongtree ihn infiziert hatte, in ihm aufgegangen und nicht mehr auszulöschen war. Die Folge davon war, dass Bane de facto ein Werwolf war, auch wenn sich der Wandel noch nicht bemerkbar gemacht hatte, denn Bane war noch nicht in die Gestalt eines Wolfes geschlüpft.
    Aber das war, laut Old Man, nur eine Frage der Zeit und von Faktoren abhängig, auf die er keinen Einfluss hatte und die sich zudem von Wolf zu Wolf unterschieden.
    »Für mich kannst du also nichts tun, alter Mann?«, brachte Bane seine missliche Lage noch einmal auf den Punkt.
    »Nein.« Kopfschütteln. »Weil du anders bist.«
    »Ich weiß«, sagte Royce Bane rau. »Das habe ich befürchtet.« Er schwieg und gab sich äußerlich ganz ruhig. In ihm aber brannte Hass!
    Nicht auf Strongtree, der ihn angefallen und verletzt hatte.
    Sondern auf denjenigen, der den schwarzen Nährboden in ihm bereitet und der ihn mit einer grauen Seele gleichsam verflucht hatte.
    Hass auf seinen…
    Royce Bane dachte nicht weiter. Weil er an ihn nicht einmal denken wollte! Allem Hass, allem Zorn zum Trotz. Jeder Gedanke an ihn war der Ehre schon zu viel…
    »Und du bist also Old Mans neuester - wie sagt man? - Schützling? Oder Schüler?«, fragte er Strongtree, weniger aus Interesse, sondern nur, um irgendetwas zu sagen und sich abzulenken.
    Old Man machte eine wegwerfende Geste. »Alles nur Worte. Und Worte haben wenig Gewicht.«
    »Ganz richtig«, sagte Strongtree und erhob sich so heftig, dass sein Hocker umkippte. »Genug der Worte. Es ist Zeit für
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