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0747 - Jessicas Rächer

0747 - Jessicas Rächer

Titel: 0747 - Jessicas Rächer
Autoren: Jason Dark
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vermittelte. Eine ältere Frau sprach mich an. »Ich habe alles gesehen, Mister. Sie konnten nichts dafür. Es war dieser Schläger, der…«
    »Schon gut, danke.« Ich schaute zum Himmel, wo sich Wolken und Sonne ein Stelldichein gaben und zum typischen Aprilwetter beitrugen.
    »Ich meinte ja nur.«
    »Danke, wirklich sehr nett.«
    Die Frau ging weiter und schimpfte über die Verhältnisse in dieser gewaltigen Stadt.
    Mein Ziel lag nur noch wenige Schritte entfernt. Warum klopfte eigentlich mein Herz so stark? Ich war doch freiwillig gegangen. Niemand hatte mich herbestellt. Angst brauchte ich nun wirklich nicht zu haben. An Zwangsvorstellungen litt ich auch nicht. Jessica konnte nicht mehr leben. Trotzdem fürchtete ich mich davor, ihr Reich zu betreten, das so völlig anders war als normale Wohnungen.
    Bei ihr gingen die Arbeits- und die Wohnräume ineinander über.
    Sie hatte ein Atelier gemietet, wo sie arbeitete, wo sie ihre Puppen hergestellt hatte, die sie stets in eine Performance einband. Diese wiederum war wirklich als einmalig anzusehen. Ich hatte so etwas noch nie wieder erlebt, und auch Jessica war als Künstlerin berühmt und geachtet gewesen, denn ihre Ausstellungen hatten blendende Kritiken bekommen.
    Das alles war nun vorbei. Ich wusste auch nicht, was nun mit ihren Schöpfungen geschah, wer die Puppen nehmen sollte, wer sie überhaupt haben wollte.
    Jane Collins hatte den Vorschlag gemacht, Museen anzutelefonieren. Damit war ich einverstanden gewesen. Die Detektivin wollte dies in die Hände nehmen.
    Ich stand vor der Haustür. Sie passte in ihre unmittelbare Umgebung, denn sie gehörte zu den alten Türen, die in die Eingangsnische hineingebaut worden waren.
    Jessica Long hatte ihre Wohnung ganz oben gehabt. Zudem lag das Atelier zur Rückseite hinaus, es war von der Straße her nicht einsehbar. Da hatte sie ihre Ruhe gehabt.
    Bei manchen Mietshäusern steht die Haustür offen. Ich probierte, ob dies hier auch der Fall war und hatte Glück, sie aufdrücken zu können. Als ich die Schwelle überschritt, da war die Erinnerung auf einmal wieder da und packte mich wie ein Rausch, dem ich nicht verfallen wollte. Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen diese Erinnerungen an.
    Um nach oben zu gelangen, musste ich das alte, aber renovierte Treppenhaus durchqueren. Da lag kein Staub auf dem Geländer und auch die Stufen blinkten vor Sauberkeit.
    Durch Fenster in den Zwischenetagen fiel das Licht in einer schrägen Geometrie und malte helle Rechtecke auf den Boden. Diese Fenster führten zur Seite und zum Hinterhof hin, wo eben das beste Licht war. Deshalb lag auch das Atelier nach hinten raus.
    Mein Weg führte mich weiter durch den fahlen Sonnenglanz in die Höhe, doch sonnig war mir beim besten Willen nicht zumute. Ich fühlte mich ausgelaugt, die Beine waren schwer geworden und wollten mir nicht recht gehorchen.
    Als ich den letzten Absatz in Angriff nahm, überkamen mich die Erinnerungen wieder wie die wuchtigen Schläge eines Dampfhammers. Mein Atem ging schwerer, ich umklammerte sogar den Handlauf und zog mich an ihm praktisch hoch.
    Hier ging ein Mann, der um Jahre gealtert war. Die Erinnerungen konnte ich nicht so einfach abschütteln. Jede Minute, die ich mit Jessica zusammen gewesen war, hatte sich unauslöschlich in mein Hirn eingebrannt und kehrte leider immer wieder zurück, als wollte sie mich bewusst damit peinigen.
    Der Kampf ging weiter. Die Erinnerungen würden irgendwann einmal schwächer werden und ich wollte dabei mithelfen. Meine eigenen Schritte kamen mir fremd vor, als ich auf die Wohnungstür zuging und dann davor stehen blieb.
    Jessica war eine Frau gewesen, die Veränderungen liebte. Sie räumte immer um, sie war kreativ, sie schaffte ständig Neues, und ihre Kreativität hatte sich nicht nur auf die Puppen begrenzt, sie hatte die gesamte Umgebung eingenommen.
    So auch die Wohnungstür. Den neuen, roten Lack kannte ich noch nicht. Sie musste diesen Anstrich erst vor kurzem bekommen haben.
    Nur hatte Jessica nicht viel davon gehabt.
    Eine schwarze Klinke forderte meine Aufmerksamkeit. Ich legte automatisch meine Hand darauf. Als ich sie nach unten drückte, da öffnete sich die Tür.
    Das wiederum wunderte mich. Über meinen Körper rieselte ein kalter Schauer. Warum war nicht abgeschlossen?
    Jessica hatte vor ihrer Reise nach Pontresina die Wohnung bestimmt verschlossen. Hatte sie in der Zwischenzeit Besuch von Einbrechern gehabt, oder waren andere Kreaturen der
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