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0729 - Die Bestien von Las Vegas

0729 - Die Bestien von Las Vegas

Titel: 0729 - Die Bestien von Las Vegas
Autoren: Timothy Stahl
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setzte sich lediglich in Bewegung. Huschte auf seinen acht spitzen Beinen eine Handbreite tiefer, wo es dann auf Yellowhorses Bauch verharrte, und dabei spürte der Paiute wiederum dieses feine Stechen, das den Weg des Skorpions nachzeichnete.
    Immerhin, jetzt wusste er wenigstens, dass dieser leise Schmerz vorhin nicht von einem Stich des Giftstachels verursacht worden war, sondern nur von den Beinen des Skorpions, als der ihm auf die Brust gekrabbelt war.
    Weiter! Mach schon, krabbel weiter und verschwinde von hier! , formulierte Yellowhorse in Gedanken, so angestrengt, als könne er den Skorpion tatsächlich Kraft seines Geistes zur Bewegung zwingen. Eine Annahme, die - das kam ihm seltsamerweise in den Sinn - nach Auffassung seines Großvaters so unmöglich nicht gewesen wäre… Doch sein Großvater war nicht hier, Wovoka war längst in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Hier und jetzt waren nur er selbst und der Skorpion, und wirklich kam es Yellowhorse in diesen Augenblicken vor, als existiere sonst nichts auf der Welt: Es schien nur noch ihn und dieses Tier zu geben, dessen spitz zu laufende Beine Yellowhorses Bauchdecke punktierten, auf der es wie erstarrt stand, wie wartend.
    In der Tat erweckte der Skorpion auf schwer zu fassende Weise den Eindruck, als warte er auf etwas.
    Dieser Gedanke kam Yellowhorse, als sei er ihm von fremder Stimme eingeflüstert worden, und er wies ihn noch im selben Moment von sich. Weil er absurd war! Ebenso absurd wie vorhin die Mutmaßung, in den röchelnden Lauten aus der Klimaanlage Worte vernehmen zu können!
    Wie aufs Stichwort hob jenes Geräusch nun wieder an. Ob es zwischenzeitlich aufgehört oder Yellowhorse es einfach nur nicht mehr wahrgenommen hatte, weil er sich voll und ganz auf den Skorpion konzentrierte, vermochte er nicht zu sagen. Jetzt jedenfalls hörte er es wieder, und es klang nicht nur lauter als zuvor, sondern auch…
    Anders. Deutlicher.
    Als könne Yellowhorse jene fremdartige Stimme, die er zuvor nur hineininterpretiert hatte, jetzt tatsächlich hören - und wenn er sie auch nicht verstand, so schien sie auf unbegreifliche und vor allem unmögliche Weise in Worte zu fassen, was die Haltung des Skorpions ausdrückte!
    Und das war der Augenblick, in dem Ben Yellowhorse seinen Gedanken die Zügel schießen ließ, ihnen nicht länger verwehrte, sich wie Sturzbäche in abwegige Bahnen zu ergießen und in absonderliche Richtungen zu fließen.
    Von diesem Augenblick an hörte Yellowhorse auf zu zweifeln. Er stellte nichts mehr in Frage. Er ließ die Dinge einfach geschehen, nahm sie hin, ordnete sich ihnen unter. Als hätte ihn die röchelnde, rasselnde ›Stimme‹ dazu gebracht, obwohl er ihre ›Worte‹ nach wie vor nicht einmal ansatzweise verstand.
    Und er hatte Angst. Wie Kälte floss sie ihm durch die Adern, und sie gefror, als der Skorpion, den er noch immer nicht aus den Augen ließ, seinen Stachel bewegte!
    Er streckte das Schwanzstück, sodass es eine gerade Verlängerung seines Rumpfes bildete.
    Yellowhorse rechnete damit, glaubte sogar schon zu sehen , wie sich die kleine Spitze auf seine Haut niedersenkte, um sich hineinzufahren…
    Doch dazu kam es nicht.
    Stattdessen krümmte der Skorpion seinen Schwanz, bis die Spitze wieder über seinen Leib hinweg nach vorne wies, dann streckte er ihn abermals und beugte ihn von neuem.
    Und Yellowhorse begriff.
    Der Skorpion winkte ihm mit dem Stachel!
    Ganz so wie ein Mensch dem anderen mit dem Finger bedeutet, ihm zu folgen.
    War es das, was der Skorpion wollte? Sollte er, Yellowhorse, dem Tier folgen?
    Aber warum? Und wohin?
    Wieder veränderte sich die ›Stimme‹ aus dem Airconditioner - die ›Sprache‹ blieb dieselbe, nur der Tonfall wurde anders: irgendwie drängender und auf eine Weise, für die Yellowhorse die eigenen Worte fehlten, lockender.
    KOMM MM… MMMIIT… MMMIIIR…, schien sie zu keuchen, wie unter unvorstellbaren Mühen - nicht mit eben diesen Worten, die vermochte er auch jetzt noch nicht zu verstehen, wohl aber meinte er, ihren Sinn zu erfassen.
    In der halben Sekunde, die Yellowhorse zu dem verschrammten Gehäuse der Klimaanlage hinsah, setzte sich der Skorpion wieder in Bewegung, ungleich schneller diesmal, und zog den Blick des Paiute auf sich. Der sah gerade noch, wie das Tier, das inzwischen von seinem Bauch heruntergekrabbelt war, über das Laken zum Bettrand huschte und dort verschwand.
    Geradezu widernatürlich laut vernahm er das Geräusch, mit dem der Chitinkörper auf
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