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0729 - Die Bestien von Las Vegas

0729 - Die Bestien von Las Vegas

Titel: 0729 - Die Bestien von Las Vegas
Autoren: Timothy Stahl
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dem abgetretenen Teppich neben dem Bett landete. Da endlich wagte er es, sich zu bewegen. Er stemmte sich auf dem Ellbogen hoch und sah von seiner Schlaf statt zu Boden.
    Genau darauf schien der Skorpion gewartet zu haben. Er war stehen geblieben, und jetzt, als würde er von Yellowhorses Blick angeschoben, trippelte er weiter bis zur Tür des Trailers, die der Klimaanlage gegenüber lag. Dort verhielt das Tier abermals, streckte und krümmte seinen Stachel wieder und noch einmal. Dann huschte es aus Yellowhorses Sichtfeld heraus durch die Tür.
    Der Paiute hörte das leise Klappen des Plastikstücks, das die aus der Tür gesägte quadratfußgroße Öffnung abdeckte, die seinem Hund als Ein- und Ausgang gedient hatte, bis Pecabo - so hatte er geheißen - bei einem seiner geliebten Ausflüge auf den Interstate 15 unter die Räder gekommen war.
    Yellowhorse stand auf, trotz seiner über 70 Jahre geschmeidig, doch ohne allzu große Eile. Der Skorpion würde auf ihn warten…
    Der weißhaarige Paiute schlüpfte in Jeans und Hemd, zog seine Stiefel über. Dann ging er zur Tür.
    Hinter ihm schwoll das nun schier ungeduldige Rasseln aus dem Airconditioner noch an.
    Yellowhorse drehte sich nicht danach um. Er schaute nach links, in den engen Wohn- und Schlafbereich des Trailers, der ihm seit so vielen Jahren Zuhause war, dann nach rechts, den Teil, den er seine Schreibecke und Bibliothek nannte: In deckenhohen Regalen reihten und stapelten sich zumeist zerlesene Bücher, dazwischen indianische Artefakte. Auf einem kleinen Tisch stand seine Schreibmaschine, eine Royal Quiet De Luxe, die ihm seit den Fünfzigern des vorigen Jahrhunderts treue Dienste leistete. Unzählige Artikel für Zeitungen und Magazine hatte er darauf geschrieben, dazu Manuskripte für die Vorträge, die er gelegentlich hielt, und auch ein paar Bücher - all das jedoch für ein zu kleines Publikum und zu kleine Verlage, als dass es ihm neben einem gewissen Ansehen und Ruf auch noch Wohlstand eingetragen hätte. Sonst würde er kaum noch in diesem Wohnwagen leben.
    Und jetzt…
    Ein ihm fast fremdes Gefühl stieg in Yellowhorse auf, eines, das er bislang nur einmal in seinem Leben empfunden hatte - damals, als sein Vater mit ihm und seiner Mutter von hier fort und ins ferne New York gezogen war und sie Großvater zurückgelassen hatten.
    Abschiedsschmerz?
    Seltsam…
    Ben Yellowhorse entriegelte die schmale Tür und ging.
    ***
    Das erste Licht des Tages tauchte das karge Land in pastellfarbenes Rosa. Ein Bild, das Ben Yellowhorse liebte und als Langschläfer viel zu selten genießen konnte. Darum nahm er sich jetzt die Zeit, es zu betrachten, ohne den Blick zu Boden zu richten, wo er den wartenden Skorpion wusste.
    Nach Norden hin erstreckte sich Hügelland aus Staub und Geröll. In den Klüften und Senken zogen sich die Schatten unter dem Licht der aufgehenden Sonne fast zusehends zurück, wie Wesen der Nacht, die den Tag flohen.
    Weit im Westen verblasste die Lichthaube über Las Vegas, die sich nächtens strahlend hell jenseits der Berge wölbte, als hätte der vorherige Tag nicht etwa sein Ende gefunden, sondern sich nur abwartend dorthin zurückgezogen.
    Am Fuße des Hügels, auf dem Yellowhorses Trailer und sein betagter, aber immer noch zuverlässiger Pickup-Truck standen, schlief man noch. In Moapa rührte sich nichts. Wie ausgestorben lag das Kleinststädtchen da.
    Die Bezeichnung ›Stadt‹ war Moapa irgendwann in einem Anflug von Großzügigkeit verliehen worden - tatsächlich war es nicht viel mehr als eine weitläufige Grube im Wüstenboden, in der wie hingeworfen eine Reihe von Bauten lagen, deren Zahl man fast an den Fingern zweier Hände abzählen konnte. Inmitten der kleinen Häuser -die im Grunde nur bessere Hütten waren - und Wohnbaracken nahmen sich der zweckmäßige Flachbau der Schule und die turmlose Baptistenkirche wie Anachronismen aus.
    Überragt wurde Moapa von einer schlichten, flackernden Leuchtreklame auf einem gut 30 Fuß hohen Pfahl. Mit der Aufschrift FINE FOOD trachtete Jim Hardknot, Auto- und Truckfahrer vom Interstate herab in sein Diner zu locken. Eine Versuchung, der nur wenige erlagen, um dann herauszufinden, dass Hardknot bestenfalls ›okay food‹ kochte und kredenzte.
    Minutenlang stand Yellowhorse da, so reglos wie der windstille Morgen selbst, der schon einen Vorgeschmack auf die Hitze des Tages barg, und ließ den Blick auf dem so vertrauten Bild ruhen. Er sog es auf, ebenso wie die Wüstenwärme, nach der
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