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0726 - Krematorium der Angst

0726 - Krematorium der Angst

Titel: 0726 - Krematorium der Angst
Autoren: Jason Dark
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zufällig vorbeigekommen. Man hatte ihn auf mich angesetzt. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er aus eigener Kraft gehandelt hatte, hinter ihm mußte eine andere Macht stehen, die ihn für sich eingespannt hatte.
    Ich lief schneller.
    Die Kinder aus dem Hort waren glücklicherweise weder zu sehen noch zu hören. Darüber war ich froh, denn der fremde Junge bildete für mich eine Gefahr.
    Wo hielt er sich versteckt?
    Ich war im Scheitelpunkt der Kurve stehengeblieben. Die Landschaft hatte sich verändert. Ein schmaler Pfad führte auf die Rasenfläche, die ein Bild aus dürrem Buschwerk zeigte.
    Dahinter ragte eines der zahlreichen Denkmäler in die Höhe, die es im Hyde Park gab. Ich wußte nicht, wen das Denkmal darstellen sollte, irgendeinen komischen Helden, der in imposanter Pose auf dem Sockel stand.
    Ich lief in den schmalen Pfad hinein. Das Denkmal wollte ich mir näher anschauen. Natürlich wußte ich nicht, ob der Junge diesen Weg eingeschlagen hatte, ich rechnete aber damit, denn diese Umgebung hier bot auch zahlreiche Verstecke.
    Das Gestrüpp hatte seine Blätter längst verloren. Was sich jetzt noch auf ihm ausbreitete, war altes Laub. Es hatte bei seinem Flug von den Bäumen nicht einmal den Boden erreicht.
    Das Denkmal sah aus wie ein grau und alt gewordener Held. Mir kam die Pose irgendwo lächerlich vor. Der Mann trug auf dem Kopf eine Pickelhaube. Den rechten Arm hatte er in die Höhe gestreckt, die Hand zur Faust geballt, eine kämpferische Geste.
    Den linken Arm hielt er angewinkelt, die Hand dabei in seine Hüfte gestützt. Der Kopf war so gedreht, daß der Mann nach vorn und gleichzeitig in die Höhe schauen konnte.
    Sprayer hatten sich an seinem Sockel und an der Figur selbst versucht. Mit dunkelroter Farbe waren Ringe, Rechtecke und Buchstaben aufgesprüht worden.
    Hier und da mal ein Wort, meist aus der untersten Schublade des Wortschatzes.
    Ich ging nicht näher an das Denkmal heran, weil mich wieder diese ungewöhnliche Warnung traf.
    Ich hatte den Eindruck, sehr vorsichtig sein zu müssen, und mir gefiel die Stille auch nicht, die mich umlauerte. Nichts war zu hören.
    Meine Schuhe schleiften durch das kurze, sperrige Wintergras. Ich hatte vor, das Gebilde einmal zu umrunden. Vielleicht konnte ich von der anderen Seite her mehr sehen.
    Dazu kam es nicht mehr.
    Der linke Arm der Figur war so angewinkelt worden, daß er zum Körper hin einen dreieckigen Zwischenraum bildete. Eine große Lücke, durch die sogar ein Mensch kriechen konnte.
    Es kroch einer hindurch, der Junge!
    Ich sah sein Gesicht, seine Schultern und hatte dabei den Eindruck, einen Fremden vor mir zu sehen.
    Das Gesicht zeigte jetzt eine Grimasse, es war schrecklich verzogen, ein böser Ausdruck flammte in den Augen, der Wille zur Vernichtung.
    Und noch etwas war anders geworden. Die Haut bewegte sich, gleichzeitig auch die Augen, und ich dachte daran, daß sie in einem widerlichen Schleim schwammen.
    Zudem roch er.
    Nein, er stank sogar.
    Es war ein widerlicher, ekliger Geruch, der mich an Moder und verwesende Leichen erinnerte. Ein so intensiver Geruch, wie ihn nur ein Wesen abstrahlen konnte: ein Ghoul…
    Als mir dieser Gedanke kam, war es bereits zu spät, denn in der Lücke erschien plötzlich ein neuer Gegenstand. Von ihm sah ich nur die Rundung, den Kreis aus Metall an seinem Ende, der langsam kippte und sich auf mich einpendelte.
    Für mich stand fest, daß es eine Mündung war.
    Gleichzeitig sah ich den bösen, grausamen Blick, den Willen zum Töten in den Augen.
    Er schoß.
    Da war ich schon weg.
    Ich hatte mich im letzten Augenblick zur Seite geworfen, mich auch noch mit dem rechten Fuß hart abgestemmt, so daß ich dabei zu einem regelrechten Flug ansetzte.
    Ich flog in das sperrige Buschwerk hinein. Ich hörte, wie die Zweige unter mir knackend zerbrachen. Ich rollte mich herum, und in meiner Nähe schien die Welt zu explodieren.
    Es war der Schuß. In der Stille empfand ich das Geräusch als besonders laut. Ich kroch durch das Buschwerk, rutschte auf dem leicht feuchten Grasboden weiter, rollte mich dann herum, kam auf die Füße und blieb geduckt stehen, diesmal mit der Beretta in der Hand.
    Er schoß kein zweites Mal.
    Es war wieder still geworden.
    Wer immer außer mir den Schuß noch gehört haben mochte, er rührte sich nicht. Ich blieb in dieser Umgebung allein stehen und merkte, daß auch meine Knie zitterten.
    Das geschah immer, wenn ich mit knapper Mühe dem Tod entwischt war. Das war hier der Fall
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