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0726 - Krematorium der Angst

0726 - Krematorium der Angst

Titel: 0726 - Krematorium der Angst
Autoren: Jason Dark
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sah anders aus. Zudem ist er tot, falls sie das wissen sollten.«
    »Ich bin es trotzdem.«
    »Dann muß Vincent Craig aus dem Grab gestiegen sein und sich sehr verändert haben. So wie er aussah, sehen Sie auf keinen Fall aus. Sie… Sie… sind ein Fremder, der sich Craigs Namen bedient.«
    »Ja und nein«, gab er zu.
    »Sie sprechen in Rätseln.«
    Der Mann beugte sich vor und schaute über den Rasen hinweg. Er machte einen sehr nachdenklichen Eindruck auf mich, legte die Fingerspitzen seiner Hände zusammen und baute aus ihnen ein Dreieck. »Es ist wirklich nicht einfach zu erklären, John, aber ich weiß, daß Sie es begreifen können. Ich denke, Sie sind der einzige.«
    »Danke für das Kompliment und das Vertrauen, aber noch begreife ich gar nichts.«
    »Deshalb will ich ja mit Ihnen reden.«
    »Schön, fangen Sie an.«
    Er lehnte sich zurück. »Was ist schon der Körper eines Menschen?« philosophierte er. »Zum größten Teil Wasser, Knochen, Haut, Fleisch, ein Kopf, ein Gehirn, alles etwas, das vergeht, das im tiefen Grab zu Staub zerfällt, so daß bald nichts mehr an den Verstorbenen erinnert als Staub und ein paar Knochen.«
    »Da haben Sie recht.«
    »Im Gegensatz dazu steht der Geist des Menschen, seine Seele.«
    »Stimmt auch.«
    »Man kann sie nicht töten, sie bleibt erhalten, denn sie ist nichts anderes als reine Energie, und Energie verschwindet nicht. Man kann sie wohl umwandeln, aber nicht vertreiben. So ist es mit der Seele des Menschen, die sich irgendwo wiederfindet, wobei ich den Begriff fremde Dimensionen nicht ausschließen will.«
    »Stimmt ebenfalls.«
    »Und um die Seele geht es.«
    Da er eine Pause einlegte, sprach ich weiter. »Doch nicht um irgendeine, Mister.« Ich konnte ihn nicht mit seinem Namen anreden. »Ich nehme an, daß Sie damit die Seele Vincent Craigs meinen.«
    »Sehr gut, John, sehr gut. Ich weiß schon, weshalb ich gerade auf Sie gekommen bin.«
    »Ja, reden Sie weiter.«
    »Ich bin zur Hälfte Vincent Craig«, flüsterte er. »Nein, ich bin es eigentlich ganz«, verbesserte er sich, »denn den Körper eines Menschen zähle ich nicht.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, was mit ihm geschieht. Er wird vernichtet, aber nicht die Seele.«
    »Und was genau ist mit der Seele Vincent Craigs geschehen?«
    »Sie durchwanderte die einzelnen Ebenen, und sie hatte Glück, sehr schnell einen anderen Körper zu finden.«
    »Den Körper des Mannes also, der jetzt neben mir sitzt.«
    »Stimmt.« Craig atmete tief aus.
    Wir schwiegen beide. Ich mußte nachdenken, er sicherlich auch, und er räusperte sich nach einer Weile.
    »Es klingt beinahe unglaublich, aber ich bin Vincent Craig in einem anderen Körper. Nur die Seele zählt, mehr nicht. Der Körper des Menschen ist reine Staffage. Obwohl ich jetzt anders aussehe, fühle, denke und handle ich nicht anders als der verstorbene Vincent Craig.«
    »Der Ermordete.«
    »Ja.«
    »Und was haben Sie vor?«
    »Ich werde und ich will meine Aufgabe fortsetzen. Ich möchte einfach nicht aufgeben. Ich will die Personen stellen, hinter denen ich als echter Vincent Craig hergewesen war.«
    »Den man ermordet hat.«
    »Nicht nur das.«
    »Was noch?«
    Er lächelte freudlos. »Man hat mich verbrannt. Man hat mich in den Höllenofen gesteckt, damit jeder sah, wie die Reste meines Körpers als Rauch aus dem Schornstein quollen…«
    Ich bekam eine Gänsehaut, als ich die Worte hörte, schaute unwillkürlich in die Höhe, aber da war nur der blaßblaue Herbsthimmel über London zu sehen.
    »Es geschah auch nicht hier«, fuhr er fort, »sondern in Liverpool, wo ich arbeitete.«
    Darüber mußte ich erst nachdenken, und Craig gab mir diese kurze Pause auch. »Sie sind Polizeibeamter, Vincent.«
    »Sicher.«
    Ich zündete mir eine Zigarette an. »Wenn ein Polizist stirbt, ist das zwar ebenso schlimm und tragisch wie bei jedem anderen Menschen auch, aber trotzdem etwas Besonderes, denn Polizistenmord bringt die Kollegen auf die Palme.«
    »Nichts dagegen einzuwenden.«
    Ich blies den Rauch von mir und fragte jetzt direkt. »Wer lag statt Ihrer in diesem Sarg?«
    »Ein anderer.«
    »Glaube ich nicht«, antwortete ich spontan.
    »Weshalb nicht?«
    »Weil es aufgefallen wäre. Man hat Ihre Leiche untersucht. Man hat sie analysiert, kann ich mir vorstellen…«
    »Einen Augenblick, John. Wissen Sie denn, wie ich ums Leben gekommen bin?«
    »Gewaltsam.«
    »Das stimmt schon, aber auch da gibt es Unterschiede. Man kann jemandem eine Kugel
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