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0724 - Vampirträume

0724 - Vampirträume

Titel: 0724 - Vampirträume
Autoren: Claudia Kern
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Aktenordner und schlug ihn auf. »Sechsundvierzig vermisst gemeldete Personen, davon fünfundvierzig spurlos.«
    Rutherford stand auf, kam herüber und sah ihm über die Schulter. »Was ist mit der sechsundvierzigsten?«
    »Wurde erhängt an Pier zwölf aufgefunden. Selbstmord.« O'Neill seufzte. »Ich könnte Hilfe gebrauchen.«
    Obadiah kratzte sich mit einem Kugelschreiber über den Bürstenhaarschnitt. »Eigentlich habe ich keine Zeit…«
    »Sanders wird vielleicht befördert, wenn unsere Aufklärungsquote steigt.«
    Seine Antwort kam spontan: »Was soll ich tun?«
    O'Neill grinste zum ersten Mal an diesem Tag.
    ***
    »Kaffee.«
    Zamorra legte seine Jacke ab. Unwillkürlich suchte seine Hand nach dem Amulett, das normalerweise vor seiner Brust hing. Nicht jedoch heute, denn es lag im Handschuhfach des Mietwagens, der ihn von Denver bis zu der alten Ranch hier in Last Chance, Colorado, gebracht hatte.
    Fu Long, der Vampir, bemerkte seine Geste und lächelte. »Das Amulett hält mich immer noch für einen der Bösen.«
    Zamorra nickte. »Ich bin mir nicht sicher, ob das so falsch ist.«
    Er nahm die Kaffeetasse entgegen und setzte sich in einen Sessel. Das Kaminfeuer tauchte den Raum in ein warmes Licht. Die Regale an den Wänden waren vollgepackt mit Schriftrollen, Büchern und kleinen Kisten. Ein Schreibtisch stand unter dem einzelnen, verhangenen Fenster. Darauf stapelten sich weitere Pergamentrollen, die mit kunstvoll geschwungenen chinesischen Schriftzeichen bedeckt waren. Der Geruch von Jahrhunderte altem Papier hing wie eine vage Erinnerung in der Luft und vermischte sich mit der Wärme des Feuers.
    Fu Longs dunkle Augen sahen ihn an. »Wir sind in einer schwierigen Lage, du und ich. Es gibt viele, die unsere Allianz mit Misstrauen und Ablehnung betrachten. Ich weiß, dass Gryf mich pfählen würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte, und noch in der letzten Nacht baten zwei meiner Kinder auf Knien darum, dich töten zu dürfen. Sie haben Angst, weil ich einem Dämonenjäger vertraue. Du siehst also, ich bin nicht der Einzige, den man für den Bösen hält.«
    Zamorra stellte die Tasse ab. »Und was ist mit mir?«, fragte er. »Woher soll ich wissen, dass ich dir vertrauen kann?«
    »Du bist ein Mensch in einem Haus voller Vampire…« Fu Long machte eine kurze Pause. »Und doch bist du unser Gast. Genügt dir diese Antwort?«
    »Für heute genügt sie mir.«
    »Gut.«
    Draußen knarrten einige Dielen. Fu Longs Blick zuckte zu der geschlossenen Tür, während Zamorra die Arme vor der Brust verschränkte und lächelte. Er war sich sicher, gerade Zeuge einer telepathisch geführten Auseinandersetzung zwischen dem alten Chinesen und den Lauschern im Korridor zu werden. Der stumme Schlagabtausch dauerte keine dreißig Sekunden, dann drehte sich Fu Long zu Zamorra um.
    »Ich entschuldige mich für meine Kinder«, sagte er. »Wir werden den Rest unserer Unterhaltung ungestört führen können.«
    Ohne hinzusehen griff er nach einer Metallröhre, die neben seinem Sessel stand, und zog eine stark vergilbte Schriftrolle hervor. Zamorra beugte sich vor, als er die Vorsicht und Sorgfalt bemerkte, mit der Fu Long die Rolle ausbreitete. Sie war mit chinesischen Schriftzeichen bedeckt, die seltsam abgerundet und weich wirkten.
    »Was ist das?«
    »Eine von zwölf Rollen, die ich vor mehreren Monaten erworben habe. Sie enthalten die Aufzeichnungen eines Beamten aus der Stadt Wuchang. Die erste Rolle ist leider stark beschädigt, deshalb bin ich mir nicht ganz sicher, wann genau er lebte, aber die Bemerkungen über Flüchtlingsströme aus dem Norden und die Aufstände der Bauern passen auf die Zeit der Drei Reiche, zwischen 220 und 265 deiner Zeitrechnung.«
    Fu Long strich mit den Fingerspitzen über das Papier. »Dieser Beamte, sein Name war Wang Youwei, fiel bei seinem Herrn anscheinend in Ungnade, denn er wurde auf eine lange Reise bis zu den Quellen des Jiangzi geschickt. Man befahl ihm, einer bestimmten Route zu folgen, aber er hielt sich nicht daran, sondern wählte eine Abkürzung. Die führte ihn schließlich nach Choquai.«
    Zamorra sah überrascht auf. »Er war dort?«
    Choquai, dachte er, als Fu Long nickte, die goldene Stadt der Vampire. Es hieß, einst habe Kuang-shi von dort aus das Land regiert, aber die Stadt war längst verschwunden, ebenso wie alle Hinweise auf die Herrschaft der Vampire. Zamorra hatte in einer Vision das verlassene Choquai erlebt und erinnerte sich noch gut an den überall sichtbaren
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