072 - Das Horror Palais von Wien
mit Denners Bericht, dem Telefonat
der Frau Anni Kaintz zusammen und auch damit, daß uns eine Freundin der
Verschwundenen, eine gewisse Constanze Gramscyk, angerufen und eine Beobachtung
mitgeteilt hat. Sie hat den Wagen der vermißten Sandra Kaintz mit einer fremden
Fahrerin in der Naglergasse gesehen. Constanze Gramscyk hält sich seit den
frühen Morgenstunden im Künstler-Café auf. Sie wollte sich dort mit
verschiedenen Freunden treffen, auch mit Sandra Kaintz und Evi Strugatzki.
Constanze hält sich noch immer im Café auf, obwohl es inzwischen Abend geworden
ist. Sie hat sich wenige Minuten vor ihrer Ankunft gemeldet und behauptet, die Fremde
wiedergesehen zu haben, die Sandras Ente gesteuert hat.
Die
Fremde würde das gleiche Kleid tragen wie die tote Frau in der Toreinfahrt zur
Domgasse, wo die Mädchen sie noch sahen, ehe sie zusammenbrach.«
»Und
wo ist die Fremde mit dem altmodischen Ballkleid wieder in Erscheinung
getreten?«
»Sie
betrat das Künstler-Café und hat Constanze Gramscyk angesprochen«, ließ
Sachtler die Katze vollends aus dem Sack. »Unter Tränen hat sie ihr anvertraut,
daß sie Sandra Kaintz sei, aber nach einem unheimlichen Geschehen im Palais
Cernay ein anderes Aussehen hätte… Wenn man zwei und zwei zusammenzählt,
scheint man nicht mehr auf vier zu kommen.«
»Vielleicht
doch, Kommissar… aus Petra Faroch wurde eine uralte Frau in einem Ballkleid.
Aus Sandra Kaintz soll offenbar auch eine werden. Das Ballkleid ist schon
geschneidert für sie. Daß sie frei herumläuft, kann allerdings nicht in den
Plan dessen passen, der sie für ein bestimmtes Ritual vorgesehen hat.
Vielleicht sind auch die anderen fünf Vermißten davor und auch Evi Strugatzki
ähnlich behandelt worden. Petra Faroch hat man bisher als einzige, durch
einen Zufall möglicherweise, gefunden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es noch
mehr Leichen gibt, uralte, ausgemergelte Körper in einem Ballkleid, und keiner
weiß, wo sie liegen… Bei Sandra Kaintz scheint etwas schiefgegangen zu sein.
Sie sieht aus wie eine andere, kann sich aber noch an ihre wahre Identität
erinnern. Hat allerdings Angst, so wie sie jetzt aussieht, vor ihre Mutter zu
treten. Sie ist hin und hergerissen. Hier läuft ein makabres Geschehen ab.«
Sachtler
hörte aufmerksam zu. Ihn erfüllte stille Bewunderung für die Kombinationen, die
Larry Brent mit wenigen Worten aufstellte.
»Es
sieht aus, als führe jemand ein furchtbares Ritual durch, bei dem er Menschen
braucht. Dieser komische Graf, Kommissar, geht mir nicht aus dem Sinn… Fahren
Sie so schnell Sie können! Ich habe das Gefühl, daß im Palais Cernay alle Fäden
zusammenlaufen.« Fäden, in die Iwan Kunaritschew und Peter Pörtscher
möglicherweise schon so verstrickt waren, daß sie nicht mehr herauskamen, führte
er im stillen seine Überlegungen fort. Keiner der beiden Kollegen hatte sich
inzwischen in der PSA-Zentrale gemeldet, wie X-RAY-1 ihm während des Fluges
über den Atlantik sorgenvoll mitgeteilt hatte.
●
Die
Hexe Marina und Boris Rakow löschten das Licht. Draußen war es dunkel. Mit der
Dunkelheit kam die Stunde des Geistergrafen. Das ungleiche Paar, das durch eine
Kette von Umständen und gleicher Interessen verbunden war, betrat den großen
Raum, in dem die beiden jungen Frauen lagen. Auf dem Tisch in der Ecke unweit
der beiden Couchs entzündete Marina sieben Kerzen. Zwischen den Kerzen lagen
zwei Originalseiten aus dem Buch Die Magie der unsichtbaren Zauberwesen und
die Abschriften und Skizzen, die sie und Rakow im Lauf des Tages angefertigt
hatten.
»Machen
wir uns an die Arbeit«, murmelte die Schwarzhaarige mit den aufregenden Kurven.
»Es ist uns nicht gelungen, das Mädchen, das für diese Nacht vorbereitet war,
zurückzubefehlen. Wir müssen uns damit abfinden, daß sie entkommen ist und so
etwas wie eine schizophrene Identität durchmacht. Sie ist weder die alte noch
die neue… Aber wir haben durch sie nichts zu befürchten. Sie wird sterben, weil
sie das Kleid schon trägt. Aber wir brauchen für die nächsten Stunden eine neue
Partnerin des Grafen, um ihm wieder eine Nacht zu schenken, wie er sie liebt.
Wir haben ihn gefunden und sein Geheimnis entdeckt, und allein durch den
richtigen Gebrauch der Beschwörungen war es möglich, für ihn die Vergangenheit
wieder zur Gegenwart werden zu lassen… Bring sie hierher!« Mit diesen Worten
deutete die Hexe auf das Mädchen mit der Ponyfrisur. Wie leblos lag die
Entführte. Sie war eine der
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