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0714 - Die Totenfrau ist da

0714 - Die Totenfrau ist da

Titel: 0714 - Die Totenfrau ist da
Autoren: Jason Dark
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Finger zuckten, drehten, zerrten weiter.
    Sie erzeugten Geräusche, die mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken fließen ließen.
    Und dann dieses schreckliche Stöhnen. Als würde die Frau unsägliche Schmerzen erleiden.
    Plötzlich bückte sie sich. Ihre Arme sah ich dabei wie weiße Stangen nach unten zirkeln. Sie hob etwas auf, was ich nicht erkennen konnte, aber mit zielsicheren Bewegungen streifte sie sich diesen Gegenstand über den Kopf. Er floß an ihrem Körper herab - Stoff schabte über Stoff - und kam erst in Höhe der Knöchel zum Stillstand.
    Die Frau hatte ihr Kleid verborgen. Im Gegensatz zu ihrem ersten konnte der neue Mantel nur als ein alter Lumpen angesehen werden, der eine Kapuze besaß, die sie mit einer raschen Bewegung über den Kopf streifte.
    Es war einfach nicht zu fassen. Ich kam zu keinem Ergebnis und versuchte verzweifelt, etwas zu erkennen.
    Auch in der Scheibe spiegelte sich nichts Verwertbares. Zwar sah ich einen schwachen Umriß, der sich auch bewegte, aber das war wirklich alles.
    Sie machte weiter. Jetzt krümmte sie die Finger. Dabei überkam sie ein Zucken, und sie stöhnte so heftig auf, daß es den Anschein hatte, jemand wäre dabei, sie zu foltern.
    Sie beugte sich nach vorn. Ich starrte auf den gekrümmten Rücken, der mich an den einer Märchenhexe erinnerte.
    Wer war diese Frau?
    Ich erinnerte mich an ihre Erklärungen, die für mich noch immer rätselhaft waren. Es mußte etwas mit dem Mond zu tun haben, die Veränderung ging wahrscheinlich auf sein Licht zurück.
    Das war ähnlich wie bei einem Werwolf oder einem Vampir. Auch sie veränderten sich unter den Strahlen des Mondes, aber diese Frau gehörte zu keinem der beiden Wesen.
    War sie so etwas Besonderes?
    Ich versuchte zwischendurch immer wieder, auf die Beine zu kommen, doch das verfluchte Gift ließ mir leider keine Chance. Es war nicht zu schaffen, ich mußte im Sessel bleiben, als hätte man dessen Fläche mit einer dicken Leimschicht bestrichen.
    Selmas Hände sanken nach unten.
    Sie sackten so schnell, daß es beinahe aussah, als würden sie einfach abfallen.
    Die Frau stand starr.
    Ich hörte sie ächzen, sie leiden, dann aber knurren. Danach ging ein Ruck durch ihren Körper. Eine ungewöhnliche und nicht sichtbare Kraft schien ihr einen heftigen Stoß verpaßt zu haben.
    Aufrecht und sehr gerade blieb sie stehen, ihr Gesicht noch immer dem Fenster und damit dem Mondlicht zugedreht.
    Das aber änderte sich.
    Sehr langsam drehte sie sich um und sie starrte mich an. Ich schaute geradewegs in das verwüstete Gesicht einer uralten Greisin…
    ***
    Mein Gott, schoß es mir durch den Kopf. Mein Gott, wie war so etwas möglich? Wie konnte nur dieses verunstaltete Gesicht entstanden sein?
    Allein durch das Mondlicht?
    Ja, natürlich auch durch Magie. Durch eine finstere, unheimliche magische Kraft. Eine andere Lösung konnte es dafür einfach nicht geben.
    Noch lag ihr Gesicht zu sehr im Schatten, als daß ich hätte Einzelheiten erkennen können. Daß sie allerdings um Jahre gealtert war, stand fest. Ich kannte den Grund nicht, ich kannte mich überhaupt nicht mehr, ich wußte nur, daß man mich in diesem verdammten Fall einfach mattgesetzt hatte.
    Durch ein paar Tropfen, durch irgendeine Tablette, jedenfalls durch ein verfluchtes Gift.
    Und die Person, die dafür die Verantwortung trug, verließ die schattige Stelle und baute sich so auf, da sie mir geradewegs ins Gesicht schauen konnte. Das Licht einer Wandleuchte streichelte den oberen Teil ihrer Gestalt, und noch einmal durchzuckte es mich, als ich sie nun in aller Klarheit vor mir sah.
    Die vordere Hälfte ihres Kopfes glich einer Rune und gleichzeitig einer Ruine.
    War es überhaupt noch Haut, die sich über ihr Gesicht spannte, oder war diese von einer alten, braungrauen Rinde abgelöst worden, die dick und klumpig die Umrisse des Gesichts nachzeichnete?
    Aus ihnen stach die Nase hervor wie ein schmaler, kantiger Erker, der in seiner Mitte noch einen Buckel besaß. So sah die Hexe in den alten Märchenbüchern aus, denn auch die böse blickenden Augen und der schmallippige Mund kamen diesem Bild gleich.
    Hinzu mußte ich die alte, lumpige Kleidung rechnen, die gichtkrummen Hände, deren Finger mich an Zweige erinnerten.
    Sie bot ein furchtbares Bild. Nur mehr ein Zerrbild ihrer alten Gestalt, ein lebendig gewordener Beweis für den Schrecken.
    Selma schlurfte auf mich zu. Sie hielt den Mund offen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn mir eine
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