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071 - Gefangen in den Bleikammern

071 - Gefangen in den Bleikammern

Titel: 071 - Gefangen in den Bleikammern
Autoren: Dämonenkiller
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gestehen."
    „Wir müssen Euch mitnehmen", sagte Gandini.
    Die beiden Schergen packten sie. Selva leistete keinen Widerstand.
    „Denk an meine Warnung, Michele!" sagte Selva. „Dein Leben ist in Gefahr."
    Jacopo sprang auf sie zu, ballte die rechte Hand zur Faust und schüttelte sie drohend.
    „Scher dich hinweg, verfluchte Hexe!" brüllte er mit überschnappender Stimme.
    Selva wandte den Kopf ab. Die Schergen zogen sie mit sich. Ich blickte ihr erschüttert nach.
    „Ich kann es noch immer nicht glauben", sagte ich mit zittriger Stimme. Noch gestern hatte ich sie geliebt und wie verrückt begehrt.
    Jacopo legte mir beruhigend einen Arm um die Schultern.
    „Es ist ein schwerer Schlag für dich", sagte er.„ Ich weiß, wie sehr du an Selva gehangen bist. Aber sie ist eine Lügnerin, eine Heuchlerin, die sich zu uns gestohlen hat, um dich zu vernichten. Sie war mir schon längere Zeit verdächtig, und jetzt haben wir die Beweise dafür."
    „Welche Beweise?"
    „Selva wurde heute angezeigt", sagte mein Vater. „In der vergangenen Nacht wurde eine Teufelssekte ausgehoben. Angeblich soll Selva an den Zusammenkünften teilgenommen haben. Gestern wurde sie zusammen mit einem Mann gesehen, dessen Leiche heute in meinem Seitenkanal gefunden wurde. Der Mann gehörte zu den Teufelsanbetern. Aber der überzeugendste Beweis sind die Hostien, die in ihrem Zimmer gefunden wurden."
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Noch immer konnte ich es nicht glauben. Aber hatte ich nicht selbst gesehen, daß sie sich mit dem Mann getroffen hatte? Und woher hatte sie die Information erhalten, daß mein Bruder heute zurückkommen würde, wenn nicht von den Teufelsanbetern?
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen.
    Irgend etwas hielt mich zurück, mein gestriges Gespräch mit Selva zu erwähnen. Ich wollte sie nicht noch mehr belasten.
    Wie betäubt wankte ich in einen der Aufenthaltsräume, griff nach einer Karaffe und schenkte mir ein Glas Wein ein, das ich auf einen Zug leerte. Dann setzte ich mich nieder und schüttelte immer wieder den Kopf.
    Ich wußte, welche Schrecken vor Selva lagen. Die Inquisition hatte in Venedig nicht richtig Fuß fassen können. Die Republik Venedig wahrte ihre Selbständigkeit eifersüchtig gegen die Eingriffe der geistlichen Inquisition. Bei den Sitzungen der vom Papst ernannten Inquisitoren nahmen stets drei Regierungskommissare teil, die für die Überwachung der Verhandlung zuständig waren.
    Ich trank noch ein Glas Wein. Jacopo setzte sich mir gegenüber.
    „Trauere ihr nicht nach!" sagte er. „Sie ist eine Hexe. Sie empfing mich sehr kühl, doch nach einigen Minuten taute sie auf und versuchte mich zu verführen, mich zu verhexen mit dem durchdringenden Blick ihrer Augen. Doch es gelang ihr nicht. Ich schleuderte sie von mir. Sie redete unsinniges Zeug. Es würde mir nicht gelingen, dich zu töten, sagte sie. Ich befahl ihr, daß sie augenblicklich auf ihr Zimmer gehen sollte."
    Ich hustete und schenkte mir nach.
    „Zu dir hatte sie auch gesagt, daß dein Leben in Gefahr sei."
    Jacopo lachte bitter. „Dein Leben war auch in Gefahr, aber durch sie. Sie entzog dir deine Lebenskräfte. Du wirst sehen, in wenigen Tagen fühlst du dich ganz anders."
    Ich nickte unsicher. Meine Gedanken irrten ab. Ich stellte mir vor, wie Selva sich jetzt wohl fühlen mußte. In diesem Augenblick wurde sie wahrscheinlich in den Dogenpalast gebracht, um in wenigen Minuten verhört zu werden. Sie mußte schwören, die Wahrheit zu sprechen. Ihre Personalien wurden festgehalten, und dann begann das Verhör. Auch wenn sie leugnete, war ihre Situation hoffnungslos. Das Belastungsmaterial reichte aus, um sie in Untersuchungshaft zu nehmen. Morgen würde dann die gütliche Befragung durchgeführt werden. Sollte sie dabei kein Geständnis ablegen, begann die peinliche Befragung. Das war eine Tortur, die auch bei anderen Kapitalverbrechen angewandt wurde. Zuerst wurden dem Angeklagten nur die entsetzlichen Folterinstrumente gezeigt,. angelegt und wieder abgenommen. Legte daraufhin der Angeklagte kein Geständnis ab, wurde mit der Folter begonnen. Es gab Hunderte der grauenvollsten Marterwerkzeuge. Meist gestanden die Angeklagten, da sie vor Schmerz fast verrückt wurden. Ich hatte einmal die Folterkammer im Dogenpalast besichtigt und danach einige Tage äußerst unruhig geschlafen. In meiner Fantasie hörte ich Selvas Schreie, sah ihr schmerzverzerrtes Gesicht.
    Ich barg meinen Kopf in den Händen und schluchzte.
    Mein Bruder
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