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0697 - Der Elefanten-Dämon

0697 - Der Elefanten-Dämon

Titel: 0697 - Der Elefanten-Dämon
Autoren: Roger Clement
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vorgehaltenem Schwert kam sie auf Yvonne zu.
    »Neeeiiiinnnn!«, kreischte Nicoles Freundin entsetzt. Sie drehte sich um, riss die Badtür wieder auf und wollte hinaus in ihr Zimmer stürmen. Von dort aus vielleicht auf den Flur. Hilfe holen. Aber so weit kam sie nicht.
    Bereits einen Schritt von der Nasszelle entfernt blieb Yvonne wie angewurzelt stehen.
    In ihrem Hotelzimmer befand sich inzwischen noch eine andere Person.
    Es war ein Beinamputierter. Im Gegensatz zu der Amazone, die eine Weiße war, schien er ein einheimischer Khmer zu sein.
    Doch er rutschte nicht auf dem Boden herum, wie es viele seiner bedauernswerten Leidensgenossen taten. Der langjährige Bürgerkrieg und die unzähligen Minen hatten Kambodscha zu einem Land der Beinamputierten werden lassen. Ihr Anblick gehörte zum Alltag auf den Straßen des Landes.
    Das war es nicht, was Yvonne so unendlich schockte.
    Der Mann ohne Beine schwebte in der Luft. Auf ihrer Brusthöhe. Plötzlich kam er ohne Vorwarnung auf Yvonne zugeflogen. Er hielt ihr seine kräftige Hand vor den Mund, um sie am Schreien zu hindern.
    Das war zu viel. Die nervlichen Anspannungen forderten ihren Tribut.
    Yvonne Berthemy fiel in Ohnmacht.
    ***
    Feuchte Hitze lastete über Phnom Penh.
    Zamorra und Nicole verließen das Gebäude des Pochentong International Airports.
    »Welch ein Unterschied«, grinste Zamorra, »im Vergleich zu meiner letzten Auslandsreise…«
    Da war er - allerdings ohne Nicole - in Alaska gewesen, zusammen mit dem Silbermond-Druiden Gryf ap Llandrysgryf, um dem Vampir Fu Longnachzustellen, der sich dort verkrochen hatte. Mitten in einer annähernd 40° C kalten Winterhölle mit verheerenden Schneestürmen. [3]
    Und fast hätte er es nicht überlebt, wenn nicht ausgerechnet Fu Long ihn gerettet hätte…
    Aber das war Vergangenheit. Jetzt ging es um Nicoles Studienfreundin.
    Trotzdem erlaubte Zamorra es sich, die Hitze zu genießen - schließlich war es auch in Europa winterkalt.
    Eine Horde von Taxifahrern buhlte um die Gunst der beiden westlichen Touristen. Doch Zamorra eilte entschlossen auf ein etwas abseits wartendes Motorradtaxi zu.
    »Taxi fahren können wir auch in Paris«, erklärte er. »Aber Motorradtaxis sind eine kambodschanische Spezialität!«
    Seine Lebensgefährtin betrachtete zweifelnd das Vehikel. Es bestand aus einer Art Rikscha-Gondel, die durch ein altersschwaches Honda-Bike vorangetrieben wurde. Jedenfalls hoffte Nicole, dass sich das Gefährt bewegte.
    Der greise Fahrer grinste, wobei er seine Zähne zeigte. Alle drei. Er trug eine Baseballkappe mit der Aufschrift TEXACO.
    Zamorra dachte an die Zeit zurück, wo schon der Besitz dieser Mütze ein todeswürdiges Verbrechen gewesen war. Während des Regimes der Roten Khmer hatten die Steinzeitkommunisten des Pol Pot jeden ihrer Landsleute hingerichtet, der eine Universität besucht hatte. Oder eine fremde Sprache beherrschte. Oder ein westliches Kleidungsstück besaß. Oder auch nur eine Brille trug.
    Jeder fremde Einfluss sollte ausgemerzt werden. Die Bevölkerung der Millionenstadt Phnom Penh hatten die Roten Khmer wie Vieh aufs Land getrieben, wobei Zehntausende elend verreckt waren.
    Zum Glück waren der Schlächter Pol Pot und seine Schergen irgendwann davongejagt worden. Obwohl sie in der Provinz zum Teil immer noch ihr Unwesen trieben.
    Manchmal glaubte Zamorra, dass die Menschen den Dämonen in Bosheit kaum nachstanden. Er verscheuchte die düsteren Gedanken.
    »Zum ›Holiday International‹!«, bat Zamorra den Fahrer, nachdem er und Nicole auf dem antiken Polstersitz Platz genommen hatten.
    »Jawohl, Sir!«, krähte der alte Khmer, Dann knüppelte er sein Motorradtaxi unter ohrenbetäubendem Hupen in den chaotischen Verkehr der Hauptstadt.
    »Kaum zu glauben, dass dies mal eine Geisterstadt war«, sagte Nicole.
    Auch sie dachte offenbar an die Pol Pot-Zeit.
    Das Motorradtaxi knatterte durch die Stadt. Ab und zu warf der Fahrer einen Blick über die Schulter auf seine Fahrgäste zurück. Er schrie ihnen Sätze zu, die den Verkehrslärm übertönten.
    »Da vorne ist Königsresidenz!… Nein, links von uns! Und dort die Silberpagode. Sehr heilig, mit Fußabdruck von Buddha! Fast so heilig wie Angkor!«
    Nicole und Zamorra tauschten einen Blick. Gleich auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel wurden sie wieder mit der Nase auf das Ziel ihrer Reise gestoßen. Andererseits war das nicht so erstaunlich. Jeder Khmer war stolz auf die glorreiche Vergangenheit seines Landes. Und die drei
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