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0696 - Im Bann des Verfluchten

0696 - Im Bann des Verfluchten

Titel: 0696 - Im Bann des Verfluchten
Autoren: Jason Dark
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Wer viel Fantasie hatte, der konnte sich vorstellen, dass der Sensenmann Tag und Nacht als unsichtbarer Gast durch die Räume schlich und auf der Suche nach Opfern war.
    Es roch nach Tod, nach Leichen…
    Sie hatte die Toten nicht gesehen, aber der Geruch war ihr bekannt, seit sie als kleines Mädchen hatte erleben müssen, wie Leichen nach Wochen geborgen worden waren, die unter Tonnen von Geröll gelegen hatten, als Folge eines Bergrutsches.
    Schlürfend trank sie den Kaffee. Ihr Gesicht wirkte müde, die Haut war grau und eingefallen, die Haare klamm und gleichzeitig strähnig. Sie wusste, dass dieser Tag wieder einmal anders verlaufen würde als die meisten, denn Rafugil hatte ihr erklärt, dass er sie zu sprechen wünschte. Er hatte keinen genauen Zeitpunkt genannt, deshalb wartete sie in der Küche. Irgendwann würde er sie schon rufen.
    Es war ein großer Raum, mit sehr wuchtigen Möbeln und einem sehr großen Herd, der noch mit Holz und Kohle befeuert wurde. Eine nostalgische Küche, bei deren Anblick viele ins Schwärmen gekommen wären, aber Edna mochte sie nicht mehr, sie hatte sich zu lange zwischen diesen Wänden aufgehalten.
    Ihr Blick glitt über das massige Regalbrett, in dem die bunten Teller nebeneinander aufgereiht standen. Sie sah die Fliesen an den Wänden und schaute auch gegen die Haken, die an der Decke befestigt waren. Von ihnen herab hingen Töpfe, Pfannen, Kellen und breite Schaber sowie einige Küchenwerkzeuge wie Messer von unterschiedlicher Größe und Klingenbreite.
    Früher hatte sie stets eine Gänsehaut bekommen, wenn sie darunter herging und sich vorstellte, dass sich eines der Messer plötzlich löste und in ihren Nacken rammte.
    Das Gefühl war im Laufe der Zeit vergangen, man gewöhnte sich eben an alles.
    Auch an ihren Chef hatte sie sich gewöhnt, an seine Schweigsamkeit, an sein Auftreten, das stets etwas Schattenhaftes an sich hatte und zu dem die beinahe unhörbaren Schritte passten, mit denen er sich durch sein Haus bewegte, wenn er nicht im Atelier stand und malte.
    Das tat er meist nachts, da durfte ihn auch niemand stören. Es wäre für den Eindringling einem Todesurteil gleichgekommen.
    Der Hauch des Todes, der das Haus durchwehte, ließ sich nicht abschütteln. Drei Mädchen waren in den letzten Monaten verschwunden. Immer schön der Reihe nach, und es hatte nicht die geringste Spur gegeben.
    Natürlich war das Verschwinden dieser jungen Frauen aufgefallen. Sogar die Polizei aus Cannes hatte sich damit beschäftigt, aber nichts entdeckt. Keinen Hinweis, nicht die geringste Spur. Man hatte den verzweifelten Eltern schließlich erklärt, dass die Mädchen eben die Enge des Bergdorfes nicht mehr hatten ertragen können und sich in der großen Welt umsehen wollten. Schließlich war die Küste nah und damit auch Orte wie St. Tropez, Cannes oder Nizza. Damit hatten sich die Eltern eben abfinden müssen.
    Edna wusste es besser, sie ahnte es zumindest, obwohl sie den fälligen Beweis auch nicht antreten konnte, und sie hütete sich, Fragen zu stellen. Sie tat nur, was man ihr auftrug-.
    Noch immer wartete sie.
    Die Zeit verging träge.
    Der Sturm heulte draußen, er fegte wie ein wildes Tier durch Gassen, schaufelte mal Wolken heran und wischte den Himmel im nächsten Moment wieder frei, so blank wie ein Tablett, sodass eine herrlich blaue Farbe hervorschaute, wie es sie eigentlich nur hier unten in der sonnen- und lichtdurchfluteten Provence gab.
    Drei Mädchen waren weg.
    Nicht genug.
    Edna ging einfach davon aus, und der Maler hatte ihr am gestrigen Abend bei einer Flasche Wein erklärt, dass er sich auf sie verlassen und in sein Vertrauen ziehen wollte, was immer das auch bedeutete. Aber ihrer Meinung nach musste es etwas mit den verschwundenen Mädchen zu tun haben.
    Wenn das stimmte, wie würde sie reagieren?
    Darüber dachte Edna nach, als sie auf dem harten Holzstuhl saß. Würde sie ihn verfluchen, würde sie weglaufen?
    Nein, sicherlich nicht. Obwohl sie in La Rostelle geboren und aufgewachsen war, zählte sie bei den meisten Einwohnern als Außenseiterin. Man grüßte zwar, aber man redete nicht mit ihr, obgleich sie stets die Ohren offen hielt und vom Dorfklatsch fast alles mitbekam. Auch Edna konnte sich beinahe schon bewegen wie ihr Chef, der sich zu dieser Zeit unten im Keller befand, weil er von dort etwas holen wollte.
    Um was es sich dabei handelte, wusste sie nicht. Sie konnte sich allerdings vorstellen, dass er nicht mit einer Flasche Rotwein
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