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0695 - Blut an bleichen Lippen

0695 - Blut an bleichen Lippen

Titel: 0695 - Blut an bleichen Lippen
Autoren: Jason Dark
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schimmernden Wasser übergossen, so daß ich wie durch einen Nebel aus Sprüh schaute und die Welt um mich herum in einer triefenden Nässe versank.
    Der Kahn spielte verrückt.
    Er tanzte, er beugte sich, er kam wieder hoch, das Wasser türmte sich auf. Nichts bot ihm mehr Halt, und jedes Klatschen, das entstand, wenn es über Bord wehte, kam mir vor wie das hohle Klopfen eines Nagels in meinen Sargdeckel.
    Ich konnte nichts tun, als mich festklammern und darauf hoffen, daß der Sturm irgendwann abflaute und ich es geschafft hatte, noch immer auf der Ruderbank zu sitzen.
    Der alte Kahn tanzte.
    Er gab ächzende Laute ab, die sich anhörten wie ein tiefes Stöhnen und mich daran erinnerten, daß er jeden Augenblick auseinanderbrechen konnte.
    In diesem Moment bekam ich Furcht, nicht vor der Erscheinung, sondern deshalb, weil ich diesen wilden Elementen so hilflos ausgeliefert war.
    Irgendwann würde der Zeitpunkt eintreten, daß ich es nicht mehr schaffte, mich festzuklammern.
    Und dann?
    Ich hatte längst einen trockenen Mund bekommen. Alles andere war durchnäßt, und der kleine Kahn schwankte auf dem Wasser, als wäre er nur mehr ein Strohhalm.
    Immer wieder kränkte er über.
    Mal nach backbord, dann wieder nach steuerbord. Jedesmal kam die Wasserfläche so nahe heran, daß ich befürchtete, sie würde finit einer Breitseite in das Boot schwappen, es füllen und dann zum Kentern bringen. Das war sowieso nur eine Frage der Zeit.
    Der Wind heulte in meinen Ohren. Er zerrte an den Haaren wie die Klauen eines wilden Tieres.
    Ich dachte daran, nach den Rudern zu greifen und zu versuchen, dieser Hölle zu entkommen.
    Es würde keinen Sinn ergeben. Sobald der Geist merkte, daß ich entwischen wollte, würde er den Sturm noch verstärken, um diesen Plan zu vereiteln.
    Aber er verstärkte ihn auch so.
    Plötzlich türmte sich das Wasser vor mir zu einer gewaltigen Welle auf, die mir vorkam wie ein gläserner Berg mit zahlreichen dunkelgrünen Einschlüssen.
    Verflucht, das war sie!
    Das war die Welle, der ich nichts mehr entgegensetzen konnte - mein Kahn erst recht nicht.
    Sie rollte sich auf mich zu.
    Sie war unerbittlich, und in ihrem Innern schien die Fratze des Satans zu leuchten, die mir klarmachen wollte, daß in der Hölle ein Platz für mich reserviert war.
    Noch immer klammerte ich mich fest.
    Es half nichts.
    Die Woge war da, viel breiter als mein Kahn, und sie war um einiges stärker.
    Sie rammte mich, sie fiel über mir zusammen, und sie bestand aus unzähligen kalten, nassen Armen, die mich ebenso umschlangen wie das Boot und uns beide in den Tunnel hineinzerren wollten, aus dem es kein Zurück mehr gab.
    Ich holte noch einmal tief Luft, weil das Wasser sich so hoch vor mir auftürmte, daß es auch meinen Kopf umspülen würde.
    Dann war es soweit.
    Hatte ich noch das häßliche Lachen der Erscheinung gehört, oder war es eine Einbildung gewesen?
    Wie dem auch sei, dem Schicksal entging ich nicht, denn es schlug als nasser Tod zu.
    Da waren die unheimlich starken Gewalten, die an mir rissen und zerrten. Ich hatte mich bisher noch immer an den Bootsrändern festklammern können, das war nun vorbei, denn das Boot wurde durchgeschüttelt, so daß ich Furcht davor hatte, es könnte auseinanderbrechen. Noch hielten die einzelnen Teile, aber etwas zerrte an meinen Händen, dann kippte die mich umgebende Welt zur rechten Seite hin, und ich wußte, daß auch dieser Halt nichts mehr nutzte.
    Ich drehte mich und mit mir das Boot.
    Dann tauchte ich unter.
    Es war so, als wäre eine gewaltige Pranke erschienen, die mich unter die Wasserfläche drückte und danach einen langen Reißverschluß schloß, der mich von meiner Welt absperrte und mich dafür hineinpreßte in eine andere.
    Hinein in die Welt des Wassers, wo Fische überleben konnten, aber keine Menschen.
    Und natürlich Geister, denn sie hatten jetzt alle Vorteile auf ihrer Seite…
    ***
    Zu wissen, wo sich etwas befand, das war die eine Seite. Es aber auch zu finden, war eine zweite, und an der wäre Suko beinahe verzweifelt, als er seinen Freund John Sinclair suchte.
    John hatte von einer Kirche gesprochen und von einem See. Die Kirche zu finden war kein Problem gewesen, das Erreichen des Sees gestaltete sich schon schwieriger, denn Suko wußte nicht, in welche Richtung er sich wenden sollte.
    Er hätte nachgefragt, aber weit und breit war kein Mensch zu sehen. Also entschloß er sich, die Kirche zu betreten, in der Hoffnung, dort jemand zu finden, der die
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