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0694 - Eine Falle für Merlin

0694 - Eine Falle für Merlin

Titel: 0694 - Eine Falle für Merlin
Autoren: Werner Kurt Giesa
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entflammen. Die farbigweiße Helligkeit, die ihn gestern schon erstaunt hatte, entstand wieder.
    Er sah die silberne Harfe. Diesmal schwebte sie nicht in der Luft, sondern lehnte an der Wand, kunstvoll verziert und zum Spiel auffordernd. Doch Merlin berührte sie nicht. Denn diesmal erkannte er sie - ganz kurz brach eine Erinnerung in ihm auf.
    Die Mondharfe der Arianwedd mit dem silbernen Haar.
    Wie die drei Schwestern in den Besitz dieses Instruments gekommen waren, blieb unerfindlich, und Merlin dachte auch nicht mehr darüber nach, weil die Erinnerung sofort wieder verkapselt wurde. Trotz aller Neugier: schlimm genug, dass sie aufgebrochen war! Das war nicht in seinem Sinne.
    Er schaute sich weiter um, betrachtete die Webspindel, die äußerlich völlig normal zu sein schien, aber auch in ihr war Magie.
    Er sah das große Knüpfgestell mit dem unfertigen Wandteppich, er sah die Bilder darauf - und verstand sie nicht, bis er sie mit menschlichen Augen zu betrachten versuchte statt mit magischen. Da zeigten sie Szenen aus dem Alltag der Sterblichen. Aber wenn er sie wieder auf magischer Ebene betrachtete, zeigten sie sich ihm als ein schier unbegreifliches Durcheinander verworrener Strukturen, die um so undeutlicher wurden, je intensiver er sie zu durchschauen versuchte.
    Seine Finger strichen über den Teppich.
    Er spürte den Hauch der Zeit.
    Konnte genau ertasten, in welchen Abständen am Teppich gearbeitet war, wie viel - genauer gesagt wie wenig - in jeder dieser Nächte entstanden war, von denen er gestern eine erlebt hatte.
    Wenige Zentimeter nur…
    Er untersuchte den Knüpf rahmen. Es brachte ihn der Lösung nicht weiter. Er untersuchte die Webspindel, mit der die dritte Schwester die Fäden geschaffen hatte. Auch das half ihm nicht viel, aber er fühlte einen Hauch von Magie darin, den er nicht analysieren konnte.
    Das Vlies, aus dem die Teppichfäden gesponnen wurden, war völlig normal. Keinerlei Magie haftete ihm an. Erst durch die Bearbeitung schien diese Magie zu entstehen.
    Einen kurzen Augenblick nur öffnete sich Merlin wieder dem Teppich. Was aus auf ihn einströmte, war ungeheuerlich in seiner Stärke.
    Merlin verschloss seine Sinne sofort wieder, blockte jene Magie ab.
    Er versuchte sich zu erinnern, worüber sich die Schwestern in ihrem nächtlichen Ritual unterhalten hatten. Schicksalsmacht… Schicksalsfäden, miteinander verknüpft zu einem großen Bild? War das der Sinn jenes Teppichs?
    Merlin lachte leise auf.
    Eine verrückte Idee: Er setzte sich an die Web-Spindel, begann einen neuen Faden zu spinnen. Obwohl er eine solche Tätigkeit noch nie verrichtet hatte, ging sie ihm erstaunlich leicht von der Hand. Gerade so, als hätte er in der vergangenen Nacht beim Blick durch das Fenster allein durchs Zuschauen gelernt, wie man so etwas machte.
    Nach kurzer Zeit war der Faden fertig.
    In ihm war eine Magie, die Merlin fremd und zugleich sehr bekannt erschien.
    Er lächelte.
    Er trat an den Knüpfrahmen und flocht den Faden in das Teppichbild ein. Als er fertig war, konnte er kaum erkennen, was er getan hatte. Der Faden war so in das Bild integriert, dass er nicht auffiel. Was auch immer Merlin hier geknüpft hatte - es fügte sich untrennbar in das Motiv des Wandteppichs.
    Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, was er selbst da geschaffen hatte - und noch weniger, dass jemand, der die Magie des Teppichs vollendet beherrschte, die Bildmotive mit der Kraft des eigenen Willens verändern und dadurch das Handeln und Denken jener Wesen, deren Schicksal mit diesem Teppich verknüpft waren, manipulieren konnte…
    Noch war er ahnungslos.
    Aber er war zufrieden mit dem, was er geschaffen hatte.
    Die drei Schwestern waren ihm nicht überlegen. Sie waren nur anders.
    Er löschte die Kerzen so, wie er sie in Brand gesetzt hatte. Dann verließ er lautlos das Zimmer und tat so, als wäre nichts geschehen.
    Die Zauberschwestern würden nicht einmal bemerken, dass er seinen Schwur gebrochen hatte!
    ***
    Dachte er.
    Aber die drei Schwestern bemerkten es schneller, als ihm lieb sein konnte. Schon in den Morgenstunden riss eine ihn aus dem Schlaf, in den er eben gesunken war.
    Unsanft zerrte sie ihn zu den anderen, ließ ihm nicht einmal Zeit, sich anzukleiden.
    Was ihn erschreckte, war die Teilnahmslosigkeit in ihren Gesichtern, als sie ihm vorhielten, seinen Schwur gebrochen zu haben.
    Sie fragten ihn nicht einmal nach dem Grund. Sie wussten, dass er es getan hatte; das reichte aus.
    »Wie habt ihr es
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