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067 - Der grausame Götze

067 - Der grausame Götze

Titel: 067 - Der grausame Götze
Autoren: Dämonenkiller
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über Michail Liadow gelesen zu haben. Ein neunzehnjähriger Junge mit einem blonden Engelsgesicht. Er war eine der größten sowjetischen Hoffnungen gewesen, Student der Akademie, Cellovirtuose mit dem künstlerischen Genie eines Pablo Casals.
    Auch er, unheilbar an einem Karzinom im Gehirn erkrankt, war mit einer Spritze eingeschläfert, betäubt und eingefroren worden. Und noch immer gab es keine Möglichkeit, ihn zu heilen, ohne das Risiko einzugehen, nicht nur sein einmaliges Talent zu zerstören, sondern ihn - günstigstenfalls! - in einen lallenden Idioten zu verwandeln.
    „Kommen Sie, Genossin Sonja!" murmelte Iwan Tschelkanin und berührte sie am Arm. Er zog sie in eine geräumige gläserne Schleuse zwischen dem Beobachtungsraum und dem Operationssaal. Hier, noch immer im Bereich der satanischen Kälte, spürte Sonja zum erstenmal die Bedeutung dessen, was sich hier abspielte. Ein Mann mit dem gewaltigen Verstand eines Philosophen befand sich fünf Jahre und ein paar Wochen lang im Zwischenbereich. Er lebte zwischen Tod und Wirklichkeit. Lebte er? Oder funktionierte sein Hirn auch in der Kälte, die ihn in einen Block von Zellen verwandelt hatte, in der jede molekulare Bewegung zum Stillstand gekommen war?
    Der Chefarzt erkannte die Kollegen aus der Stadt und begrüßte sie herzlich, aber unverkennbar nervös.
    „Freut mich, daß ihr hier seid, Freunde. Entschuldigt, aber mir zittern die Finger. Nicht nur die Finger. Das ist der erste Versuch dieser Art. Wir haben die Kühlbox dort drüben. Wollt ihr sehen?"
    „Ja, natürlich!" murmelte Iwan wißbegierig. Sonja nickte nur.
    „Einverstanden. Kommt mit mir. Ihr müßt steriles Zeug anziehen."
    „Selbstverständlich."
    Der Mann, der mit ihnen zusammen studiert hatte, führte sie in ein System von Räumen, in denen es angenehm warm war. Sie zogen sich um, wuschen sich mehrmals und passierten einige Kammern, in denen sie mit Ozon, ultravioletten Strahlen und antibakteriellen Sprühnebeln behandelt wurden. Dann befanden sie sich in dem Raum, in dem der offene Kühlsarg von Alexander Sarchow, dem fünfundfünfzigjährigen Philosophen, stand. Oder war er nur ein halbes Jahrhundert alt? Schließlich war er fünf Jahre lang im Kälteschlaf gewesen.
    Ein halbes Jahrzehnt, schlafend und nicht tot. fast zweihundert Celsiusgrade kalt, erstarrt wie Granit oder Marmor.
    Schaudernd schüttelte sich Sonja.

    Zuerst hatten sie gewartet, bis sich die Kühlzelle auf Raumtemperatur erwärmt hatte. Noch jetzt, obwohl das Wasser abgesaugt und Warmluft herangeblasen wurde, ging von dem beschichteten Aluminiumbehälter Kälte aus. Der fast schneeweiße nackte Körper lag regungslos auf dem sterilen, feucht glänzenden Kunstleder. Herzgegend und Kopf des fast haarlosen Philosophen waren mit Gummisaugnäpfen und dicken gelben Kabeln an Meßgeräte angeschlossen. Alle Personen in diesem Raum, ungefähr zwei Dutzend, bildeten einen Kreis um den Sarg. Sie trugen weiße Tücher vor Mund und Nase. Aber man hörte nicht einmal einen Atemzug.
    Die Aluminiummaske und die Umhüllung aus goldbedampfter Folie, in die der Körper eingeschlagen worden war, hatte man entfernt. Allerdings nur dort, wo man an den Körper herankam, ohne ihn berühren zu müssen. Noch vor einer Stunde wäre er - vierzig Grad kalt - zersplittert wie ein Eisblock. Ultraschallmassagen wirkten jetzt auf die Zellen ein. Die Körpertemperatur betrug jetzt dreißig Grad.
    Sonja flüsterte ins Ohr Iwans, der sich zu ihr hinunterbeugte: „Ich glaube noch immer, daß der ganze Aufwand sinnlos ist. Aber als Experiment...
    „Warten wir ab. Ich glaube nicht, daß er lebt. Aber wir sind hier, um in Moskau berichten zu können."
    „Ich weiß."
    Erfolg oder Mißerfolg würden für die Zukunft dieses teuren und riskanten Versuchs entscheidend sein.
    Iwan verhielt sich skeptisch abwartend, Sonja glaubte schon jetzt nur noch an einen Mißerfolg.
    „Wir haben Startströme vorbereitet. Der Körper ist mit Medikamenten versorgt. Die Massage hat begonnen, und jetzt können wir nichts anderes mehr tun als warten."
    „Wie lange?" fragte Sonja. Sie war ungeduldig. Dieser Flug hierher war völlig überflüssig gewesen. „Niemand weiß es!" erklärte der Arzt.
    Es wurde immer gespenstischer. Sonja blickte von dem marmorbleichen Körper auf. Es war der völlig uninteressante, etwas zu füllige Körper eines Mannes, der niemals ernsthaft Sport getrieben und niemals hart gearbeitet hatte.
    Die Augen der versammelten Frauen und Männer, die
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