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067 - Das Maedchen in der Pestgrube

067 - Das Maedchen in der Pestgrube

Titel: 067 - Das Maedchen in der Pestgrube
Autoren: Neal Davenport
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sagte er und griff nach ihrer Schulter, doch seine Hand zuckte zurück. Es kam ihm so vor, als hätte er einen Eisblock berührt.
    Die Arbeiter musterten das Mädchen interessiert, und wie nicht anders zu erwarten gewesen war, wurden einige recht anzügliche Bemerkungen gemacht. Doch das Mädchen ging unbeirrt weiter und erreichte das Haupttor der Stephanskirche. Dann war sie plötzlich verschwunden.
     

     

Der Taxifahrer war sehr gesprächig, doch ich hatte so getan, als würde ich ihn kaum verstehen, und rasend schnell Englisch mit ihm gesprochen. Er war jetzt verstummt. Ich lehnte bequem im Fond des Wagens, rauchte eine Zigarette und hing meinen Gedanken nach.
    Norbert Helnwein würde sicherlich ziemlich überrascht sein, mich zu sehen. Ich hatte ihn vor fast einem halben Jahr das erstemal getroffen: hier in Wien. Damals war es November gewesen, kalt und unfreundlich, jetzt war es Ende Mai und heiß, viel heißer, als es in London gewesen war.
    Wir kamen nur sehr langsam voran. Die Straßen waren verstopft, und es war ein ganz schönes Stück von Wien-Schwechat in den 13. Bezirk.
    Nur ein Mann wußte, daß ich nach Wien geflogen war: Olivaro, der mir seine Unterstützung im Kampf gegen Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zugesichert hatte. Weder Coco noch der O. I. wußten Bescheid. Ich hatte einfach einen Koffer gepackt, den nächsten Flug nach Wien gebucht – und nun war ich hier.
    Der Fahrer überquerte die Lainzer Straße und fuhr die Jagdschloßgasse entlang.
    „Welche Nummer?“ fragte er.
    „231“, sagte ich knapp.
    Helnweins Haus lag am Ende der Straße.
    Der Fahrer bremste. Ich holte meine Brieftasche heraus und zahlte. Der Fahrer stieg aus, öffnete den Kofferraum und holte meinen Koffer heraus. Ich nickte ihm zu und wartete, bis er abfuhr. Dann sah ich mir das Haus an.
    Es hatte sich nichts verändert. Ein kleines, einstöckiges Häuschen mit einem winzigen Vorgarten. Ein paar Stufen führten zum Eingang hinauf.
    Ich grinste und drückte auf den Klingelknopf. Deutlich hörte ich das Schrillen der Glocke. Routinemäßig blickte ich mich um. Ein engumschlungenes Pärchen kam an mir vorbei, die aber so mit sich beschäftigt waren, daß sie mir keine Beachtung schenkten.
    Ich läutete nochmals. Die Tür wurde endlich geöffnet. Helnwein blickte mir entgegen. Er war an die Siebzig. Sein Haar war voll und dicht, schneeweiß und wirkte wie gefärbt. Die schwarzen, buschigen Brauen bildeten einen starken Kontrast zum Haar. Sein Gesicht war sehr faltig, die Nase leicht gekrümmt.
    Seine Augen weiteten sich, als er mich erkannte.
    „Sehe ich recht?“ fragte er überrascht und riß die Augen noch weiter auf.
    „Sie sehen recht, Herr Helnwein“, erwiderte ich fröhlich. „Ich bin es, Dorian Hunter.“
    „Das ist aber eine Überraschung!“
    Er lächelte. Sein Lächeln gefiel mir nicht. Es wirkte irgendwie verkrampft.
    Ich trat ein, stellte den Koffer ab und sah Helnwein wieder an. Er wirkte nervös.
    „Hoffentlich komme ich nicht ungelegen“, sagte ich.
    Seine Lider zuckten leicht, und er lächelte wieder verkrampft.
    „Aber nein!“ log er. „Ganz im Gegenteil. Es freut mich, Sie zu sehen.“
    Helnwein war mehr als einen Kopf kleiner als ich. Ein schmalschultriger, schlanker Mann mit O-Beinen.
    „Kommen Sie, bitte, mit ins Wohnzimmer“, sagte er und ging vor.
    Das Zimmer faszinierte mich erneut. Für einige Minuten versank die Welt um mich herum. Ich blieb vor den Masken stehen und betrachtete sie genau.
    „Sie haben einige neue“, stellte ich schließlich fest.
    Helnwein schüttelte den Kopf. „Nein, sie sind nicht neu. Ich wechsle monatlich. Es ist ja langweilig, immer dieselben Masken anzusehen.“
    Ich nickte und setzte mich. „Ich bin froh, daß es Ihnen gutgeht. Etwas Neues von der Familie Zamis?“
    Helnwein schüttelte den Kopf.
    „Nichts“, sagte er und stellte zwei Gläser auf den Tisch, öffnete eine Flasche Rotwein und schenkte die Gläser voll.
    „Auf Ihr Wohl!“
    Er hob das Glas. Wir stießen an. Der Wein schmeckte ausgezeichnet.
    „Sie haben mir sicherlich eine Menge zu erzählen, Herr Hunter“, meinte er.
    „Allerdings“, sagte ich. „Ihr Schwert leistete mir gute Dienste. Aber das erzählte ich Ihnen ja schon vor einigen Monaten telefonisch. Ich konnte Bruno Guozzi damit ausschalten. Ohne Ihr Schwert wären wir verloren gewesen.“
    Helnwein nickte. „Wie geht es Coco?“
    „Recht gut“, sagte ich. „Wir bauten in der Zwischenzeit eine Abteilung auf,
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