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0639 - Merlins Zauberwald

0639 - Merlins Zauberwald

Titel: 0639 - Merlins Zauberwald
Autoren: Werner Kurt Giesa
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geschehen, daß ich jemanden töte! Aber das will ich doch nicht, und es könnte sein, daß ich es nicht verhindern kann, weil ich diese Kraft nicht beherrsche… Nein, das werde ich niemals tun!«
    »Du wirst es lernen müssen.«
    »Und in Versuchung geraten, das, was ich kann, irgendwann doch zu mißbrauchen? Für den Moment aufwallender, unkontrollierter Gefühle? Ganz ohne wirkliche Absicht, nur im Affekt?«
    »Du denkst weit für dein Alter«, sagte Merlin.
    »Ich war schon älter…«
    Er hob die Brauen. »Was sagst du da? Was weißt du darüber?«
    »Nichts. Ich… habe ich das gerade wirklich gesagt?« Auf ihrer Stirn erschienen Falten, als sie angestrengt nachdachte.
    Es ist der Einfluß den Waldes, dachte Merlin. Broceliande weckt einen winzigen Teil ihrer Erinnerungen. Aber es wird niemals wirklich durchdringen, auch hier nicht.
    »Was geschieht mit mir, Merlin?« fragte sie leise. »Ich habe getötet. Niemand tötet in Broceliande einen anderen. Ich will kein Leben zerstören. Und doch tat ich es.«
    »Ungewollt«, sagte er. »Weißt du, auch ich wollte nie töten. Aber ich habe es getan, ich mußte es tun, oft. Sehr oft. Ich habe sehr viele Leben zerstört. Es gab keinen anderen Weg. Manches Leben, das ich löschte, war böse, aber auch viele gute Leben sind auf meinem Konto. Damit muß ich mich abfinden. Ich muß Entscheidungen treffen. Ein Leben gegen ein anderes. Wenige Leben gegen viele.«
    »Ich will das nie tun müssen.«
    »Niemand kann sich aussuchen, was geschehen wird«, sagte Merlin. »Einst verließ ich die Welt, die meine Heimat war, weil ich nicht mehr töten wollte. Doch ich mußte weiter töten. Aus anderen Motiven heraus. Keiner entflieht seinem Schicksal.«
    »Und mein Schicksal soll es sein, andere zu töten, indem ich ihnen ihre Magie nehme? Wesen, deren ganze Existenz auf Magie beruht?«
    »Das ist sicher nicht deine Bestimmung«, erwiderte Merlin.
    »Aber was dann?«
    Merlin lächelte.
    »Du bist etwas ganz anderes«, sagte er leise. »Etwas ganz Neues. Etwas, das zu anders und zu gut ist für diese Welt…«
    Das Erinnerungsbild erlosch jäh.
    Und Merlin wußte, als er in die Wirklichkeit zurückkehrte, daß es ein Bild aus der Zukunft gewesen war…
    ***
    Baba Yaga bewegte sich vorsichtiger weiter. Sie mußte jederzeit damit rechnen, auf andere, seltsame Lebensformen zu stoßen, die ihr ans Leder wollten. Die schwebende, gefräßige Frucht war erst der Anfang gewesen.
    Noch immer sah Yaga sich ihrem Ziel nicht wesentlich näher.
    Sie hatte das Gefühl, der Wald sei unendlich groß.
    Oder gab es hier einfach keinen Maßstab, an dem man sich orientieren konnte?
    Merlins Zauberwald hatte seine eigenen Gesetze. Hier herrschte Magie. Naturgesetze konnten durchaus völlig außer Kraft gesetzt sein.
    Das war zwar ungewöhnlich, aber vorstellbar. Auch wenn die meisten magischen Welten zumindest in ihren Grundzügen auf realen Vorgaben beruhten, um auch dem Magier selbst eine feste Basis bieten zu können.
    Aber Merlin war kein normaler Magier. Er war mehr, viel mehr. Und er war anders. Yaga wußte das nur zu gut.
    Deshalb bemühte sie sich, sich kein festes Bild vom Zauberwald zu machen. Es mußte einfach falsch sein.
    Entweder war er trotz seiner normalweltlichen Begrenztheit in seiner magischen Ausdehnung unendlich groß, oder die Pfade veränderten sich.
    Wege, die ständig andere Positionen einnahmen, die den Benutzer vielleicht im Kreis führten, ohne daß er es merkte. In einer Umgebung, die ständig neues, verändertes Aussehen vorgaukelte, weil auch die Bäume und Sträucher sich jeweils anders gruppierten, anders zusammenfanden.
    Plötzlich vernahm sie Stimmen.
    Sofort stoppte sie. Sie zerrte den Ofen ein Stück zurück.
    Unmittelbar hinter einer Wegbiegung hatte sie die fliegende Frucht entdeckt.
    Aber die Person, mit der sich die Frucht unterhielt, war nicht zu sehen. Die Stimmen verstummten, als fühlten sie sich - entdeckt…?
    Yaga sprang vom Ofen herunter und bewegte sich zu Fuß vorsichtig wieder näher an die Biegung heran. Da sah sie, wie das ›Früchtchen‹ gerade das glühende Kohlestück wieder ausspie - nein, nicht die Kohle, sondern nur noch heiße Asche mit ein paar Glutpunkten darin!
    Das ›Früchtchen‹ jagte einem Irrwisch gleich davon.
    Yaga wartete eine Weile, bis sie sicher war, daß sich niemand mehr in der Nähe befand und die gefährliche Frucht nicht zurückkehrte. Dann näherte sie sich der Stelle.
    Die Asche dampfte und brodelte.
    Ein eigenartiger
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