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0638 - Geliebter Vampir

0638 - Geliebter Vampir

Titel: 0638 - Geliebter Vampir
Autoren: Werner Kurt Giesa
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fühlte sich dadurch nicht erleichtert. Sie vermißte ihn jetzt. Wohin war er gegangen? Würde er wieder zurückkehren? Was, wenn er es nicht tat? Dann war niemand da, der ihr, Roquette, zeigen konnte, wo sie den Mann traf, auf den ihr ganzes Verlangen abzielte. Den Mann, dem sie sich bedingungslos unterwerfen mußte, um damit ihr Ende einzuleiten.
    Den Mann, der sie töten würde.
    Sie fieberte diesem Moment entgegen, in dem sich ihre Bestimmung erfüllte.
    Aber wo war ihr Mentor? Mußte sie ihn nicht suchen?
    Doch Paris ist groß. Es war unwahrscheinlich, daß sie ihn fand. Sie war verloren, wenn sie nicht tun konnte, wofür sie bestimmt worden war.
    Sie trat ans Fenster.
    Von ihrer kleinen Dachwohnung aus ging es zwanzig Meter tief hinab zum gepflasterten Hinterhof.
    Roquette öffnete das Fenster und beugte sich hinunter.
    Vielleicht war es sinnvoll, so zu sterben, wenn sie ihren Auftrag schon nicht erfüllen konnte.
    Zögernd kletterte sie auf die Fensterbank und neigte sich immer weiter nach vorn.
    Wenn Siro Borga nicht rechtzeitig zurückkehrte, war er selbst schuld, wenn sie bei seinem Eintreffen bereits tot war. Er hätte sich ja beeilen können.
    Und wenn er gar nicht zurückkehrte - ließ Roquette sich einfach nach draußen fallen.
    ***
    Nicole hatte es sich mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem der Sessel bequem gemacht. Der Mann vom Zimmerservice war wieder gegangen, und Morano reichte Nicole ein gefülltes Weinglas. »So sieht also der Alltag eines Vampirjägers aus«, sagte sie ein wenig spöttisch. »Kommen Sie, Morano. Erzählen Sie endlich mehr über sich. Sie reden den ganzen Tag, aber das sind doch alles hohle Phrasen.«
    »Finden Sie?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Ich hatte gehofft, Sie würden es als angenehme Plauderei empfinden. All right, vielleicht erzähle ich etwas mehr über mich, wenn wir uns später an einem kleinen Tisch in einem gepflegten Restaurant gegenübersitzen.«
    »Später?« Nicole nippte am Wein. Er war schwer und süß; sie versuchte an Morano vorbeizuspähen und Marke und Jahrgang zu erkennen, aber das Etikett war von ihr abgewandt.
    »Später, wenn wir diese Suite wieder verlassen.«
    »Ich werde sie sehr bald wieder verlassen«, erklärte Nicole. »Sobald ich dieses Glas geleert habe. Ich bezweifle, daß das so lange dauert, daß ein Restaurantbesuch sich bereits lohnt.«
    »Ich werde für neun Uhr einen Tisch bestellen«, sagte Morano.
    »Neun Uhr morgens?« spöttelte Nicole.
    »Natürlich am heutigen Abend. Aber selbstverständlich können wir morgen auch das Frühstück gemeinsam einnehmen. Wir lassen es uns ans Bett bringen und…«
    »Sie sind wirklich hartnäckig«, seufzte Nicole und nahm einen weiteren, etwas größeren Schluck. »Ihre Aufdringlichkeit wird langsam ermüdend. Geben Sie's doch endlich auf. Ich werde nicht mit Ihnen schlafen. Ich werde nicht Ihre Geliebte. Ich liebe Zamorra. Finden Sie sich damit ab.«
    »Was kann er Ihnen schon bieten? Ich sagte es schon: ein Leben voller Gefahren und ständiger Todesdrohungen. Ich biete Ihnen ewiges Leben.«
    Nicole erhob sich und suchte nach einem Platz, an dem sie das erst halb geleerte Glas absetzen konnte. »Ich bin bereits unsterblich«, erklärte sie. »Ich denke, ich werde jetzt gehen.«
    Morano fing sie ab. Er griff nach ihr. Das Weinglas fiel zu Boden, die Flüssigkeit verströmte im Teppich. »Ich weiß von Ihrer Unsterblichkeit, Nicole«, sagte Morano leise. »Sie altern nicht, aber man kann Sie töten. Ich möchte nicht, daß ein anderer Sie tötet. Wenn es geschieht, dann will ich es selbst tun.«
    Sie starrte ihn entgeistert an.
    Plötzlich zog er sie mit einem heftigen Ruck an sich und küßte sie.
    Sekundenlang wehrte sie sich.
    Aber dann, als sie nachgab, ließ er sie bereits wieder los.
    »Gehen Sie«, sagte er. »Gehen Sie zu Ihrem langweiligen Dämonenjäger.«
    Er trat zur Seite, seine Hände sanken herab. »Gehen Sie«, wiederholte er.
    Für einen Moment verschwamm alles vor Nicoles Augen.
    Dann schob sie die Träger des dünnen Kleides von den Schultern, löste den Gürtel, ließ den Stoff zu Boden gleiten. Mit automatischen Bewegungen streifte sie Slip und Schuhe ab. Ein paar Sekunden lang stand sie nackt mitten im Zimmer, dann ging sie ganz langsam durch die offene Verbindungstür in den angrenzenden Schlafraum und streckte sich auf dem breiten Bett aus.
    Auf dem Bauch liegend, den Kopf auf den verschränkten Armen, lauschte sie mit geschlossenen Augen. Sie befand sich in einem
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