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063 - Das Verrätertor

063 - Das Verrätertor

Titel: 063 - Das Verrätertor
Autoren: Edgar Wallace
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der die Ladeluke zugedeckt war.
    »Es wird nicht sehr schmackhaft sein, aber versuchen Sie es einmal«, riet er. »Halten Sie sich aber so dicht wie möglich an der Wand.«
    Das Wasser war frisch, wie sie ihm sagte, und nachdem sie ihren Durst gelöscht hatte, suchte sie in ihren Taschen, in der Hoffnung, etwas Eßbares zu finden.
    Auf dem Kanal war starker Verkehr. Ein großer Hamburg-Dampfer fuhr in Schußweite an ihnen vorbei, aber Graham konnte sich nicht verständlich machen. Er versuchte, mit seiner Taschenlampe ein Lichtsignal zu senden, aber der Schein der Lampe war zu schwach.
    Plötzlich hörte er ein Plätschern und spähte über das Seitengeländer. Am Dampfer trieb etwas vorbei, drehte sich im Wirbel und verschwand in dem weißen Schaum der >Pretty Anne<.
    »Was haben Sie gesehen?« fragte Hope.
    »Nichts«, sagte Graham. Er hatte das Gesicht Colley Warringtons erkannt, dessen Körper zerschmettert über Bord geworfen worden war.
    Es wurde elf, und es wurde zwölf. – Ein Uhr kam. Der Geruch gekochter Speisen drang zu ihnen.
    »Wir müssen warten, bis es dunkel wird. Erst dann kann ich zur Brücke vordringen«, sagte er heiser.
    Sie sah ihn neugierig an, und er wunderte sich, was sie wohl denken mochte. Jetzt sprach sie: »Sie sehen Dick sehr ähnlich.«
    »Zu ähnlich!« antwortete er.
    Beinahe hätte er ihr das Abenteuer der letzten Nacht erzählt, aber er dachte, es sei besser, daß sie die Wahrheit von jemand erfahre, der keinen Versuch machte, seine Handlungsweise zu entschuldigen.
    Wo war Dick eigentlich? fragte er sich und begann fast Reue zu empfinden über den Kummer, den er über seinen Bruder gebracht hatte. Seine eigene Lage war jedoch zu verzweifelt und ließ ihm keine Zeit über das Unglück anderer nachzudenken.
    Es war zehn Minuten nach eins, als er auf seine Uhr sah. Da kam ein Geräusch vom Deck her. Es wurde etwas über die Eisenplatten gerollt. Er sah ein großes Faß oben an der Treppe und dachte zuerst, daß man den Versuch machte, einen Angriff seinerseits auf das Oberdeck zu verhindern. Plötzlich kollerte das Faß aber langsam nach unten. Er hatte gerade noch Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, als es krachend auf das Deck aufschlug. Als er sich kurz umsah, bemerkte er, wie sich Hope gegen die Reling drückte. Dann fühlte er einen brennenden Schmerz in seinem linken Arm. Jetzt verstand er das Manöver – man hatte ihn aus der Deckung gelockt. Den ersten, der von der Brücke aus auf ihn zukam, konnte er noch niederschießen, aber dann waren sie über ihm – ein halbes Dutzend unbeschreiblicher Kerle. Mit Knüppeln und Messern schlugen und hackten sie auf ihn ein. Er riß sich los, schlug und schoß. Er sah, wie Eli Boß sich mit der Hand an die Kehle fuhr und mit einem Schuß in den Hals umfiel. Aber es waren zu viele. Auch von der Brücke wurde nach ihm geschossen. Die Kugeln schlugen gegen die eisernen Platten des Deckhauses hinter ihm. Wieder fühlte er den schrecklichen Schmerz in seinem linken Arm. In seiner Verzweiflung biß er die Zähne zusammen und schoß auf die Gestalt auf der Brücke – sah sie taumeln und fallen. Dann stürzte sich ein schwarzer Heizer auf ihn. Der Mann schrie gellend und war halb verrückt vor Wut und Angst. Graham stürzte nieder unter der erdrückenden Masse brutaler Menschen, die nichts anderes im Sinne hatten, als sein Leben…
     
    Das kleine Flugzeug hatte die grüne Landschaft von Kent hinter sich, überflog den weißen Strich der Brandung an der Küste und kam dann auf die graublaue See hinaus. Unten sah man Schiffe und die Linien ihres Kielwassers, die sie in das Meer zeichneten. Einige fuhren zur Themsemündung, andere in entgegengesetzter Richtung, manche auf die französische Küste zu. Aus der Höhe gesehen, schienen sie sich kaum fortzubewegen. Einmal bemerkten sie auch ein Schiff, das der Beschreibung der >Pretty Anne< zu entsprechen schien, und gingen dicht über ihm herunter. Aber es war ein großer Passsagierdampfer. Das Flugzeug streifte rechts und links den Kanal ab, aber man konnte nichts von der >Pretty Anne< entdecken.
    »Das ist sie!« ertönte plötzlich eine Stimme an Dicks Ohr, und er sah ein kleines Fahrzeug unter sich, von der Sonne hell beschienen. Selbst von der Höhe aus glaubte er zu erkennen, daß das Schiff in Not war. »Die >Pretty Anne    Dick hatte nur ein paar Sekunden, um einen Entschluß zu fassen. Sich direkt auf das Deck niederzulassen,
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