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0624 - Die Tränen der Baba Yaga

0624 - Die Tränen der Baba Yaga

Titel: 0624 - Die Tränen der Baba Yaga
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Haus sich stabilisiert hatte, schoben sich Holzlatten aus dem fest gewordenen Boden empor und bildeten als Umzäunung die Grenze zwischen Haus und Grund, auf dem es stand, und dem umliegenden Gelände. Auf den Spitzen etlicher dieser Zaunlatten steckten ausgebleichte menschliche Totenschädel, und einige von ihnen stammten offenbar auch von Geschöpfen, die zeitlebens nicht unbedingt menschlich gewesen waren…
    Baba Yaga pflegte ihren Grund und Boden stets säuberlich abzuzäunen und höchst eindeutig zu dekorieren…
    Zamorra sah, wie den Lachenden Tod angesichts der Schädelsammlung Erregung packte. Er genoß diesen makabren Anblick! Sekundenlang hatte Zamorra das Gefühl, dies sei der wirkliche Grund für das Engagement, das der Lachende Tod in dieser Angelegenheit zeigte…
    Schließlich öffnete sich die Tür. Aus der Schwärze, die dahinter zu brodeln schien, trat jetzt eine Frau hervor. Sie ging leicht vorgebeugt, und als sie jetzt ins Freie trat und Zamorra und seine beiden Begleiter sah, begann sie meckernd zu lachen.
    »So sieht man sich wieder, Zamorra!« kicherte sie. »Hättest du dir damals träumen lassen, daß es so bald schon sein würde?«
    Zamorra streckte wortlos die Hand aus, in der er das Hexenherz hielt.
    »Du wolltest, daß ich etwas für dich erledige. Das habe ich getan. Nimm es an dich. Zwischen uns ist alles gesagt worden, was es jemals zu sagen gab.«
    Ihre schrille Stimme zerrte an seinen Nerven. Plötzlich bedauerte er es, tatsächlich hierher gekommen zu sein. Vielleicht hätte er das Herz in seinem Safe deponieren und abwarten sollen, was Baba Yaga als nächstes tat.
    Aber der Stein, einmal ins Rollen gekommen, ließ sich jetzt nicht mehr aufhalten. Zamorra mußte zu Ende bringen, was er begonnen hatte, als er sich auf Sid Amos' Warnung vor der Macht der Hexe hin überreden ließ, den Auftrag der Baba auszuführen.
    »Oh, das enttäuscht mich aber«, sagte Yaga schrill. »Ich hatte gehofft, wir könnten ein wenig über alte Zeiten plaudern. Du bist für einen Franzosen doch ein sehr unhöflicher Mann.«
    Alte Zeiten…
    Zorn wallte in ihm auf, als er sich wieder an ihre letzte Begegnung erinnerte. An das, was sie ihm mit ihrem verdammten Zauber angetan hatte. Daran, auf welche brutale Weise sie mehrfach versucht hatte, ihn zu ermorden! Ihn und Saranow! Und er dachte an die Menschen, die sie bedenkenlos getötet hatte wie lästige Insekten, weil sie ihrem über das Land stampfenden Haus im Wege gestanden hatten…
    An die Knochensammlung im Innern ihres vom Staub der Jahrhunderte durchwehten Hauses… An ihre Drohung zum Abschied, Zamorra nicht sofort, sondern später einmal zu töten…
    Und in ihm wurde das Verlangen unendlich groß, jetzt reinen Tisch zu machen. Die mörderische Bestie zu töten, damit sie ihr unheilvolles Werk nicht wieder aufnehmen konnte.
    Sie hatten sich beide mit dem Tod bedroht. Sie wußten beide, was sie voneinander zu halten hatten.
    Sie war eine Killer-Hexe, in der Zamorra keinen Funken Positives gesehen hatte. Nicht damals, und nicht jetzt.
    Sie würde keine Ruhe geben, wenn sie bekam, was sie wollte. Amos hatte recht; Dankbarkeit konnte er von ihr nicht erwarten. Er sah es in ihren Augen.
    Sie war durch und durch boshaft.
    Jetzt griff sie nach dem Herz.
    Zamorras Finger lösten sich davon. Baba Yaga nahm es an sich.
    Wilder Triumph flammte in ihrem verhutzelten, faltigen Gesicht auf.
    Sie lachte schrill!
    »Mein Herz!« hörte Zamorra sie rufen. »Endlich habe ich es wieder -du herzensguter , armer Narr…!«
    Sie preßte es gegen ihre Brust, gegen ihre fadenscheinige, schmutzigstinkende Kleidung.
    Es verschwand einfach!
    Glitt durch den Stoff hindurch! Schmolz in ihren Körper hinein!
    Und in ihrem Gesicht erschienen Tränen.
    Zusätzlich zu denen, die sie noch in den Händen hielt - obgleich das Herz in ihren Körper zurückgekehrt war!
    Waren Herz und Tränen doch nicht miteinander identisch?
    Was für eine tückische Magie wurde hier wirksam?
    Noch während Baba Yaga neue Tränen weinte, fühlte Zamorra, daß sein Amulett wieder erwachte.
    Ihr Herz befand sich nicht mehr unabgeschirmt im Freien! Es konnte das Amulett nicht mehr blockieren!
    Es wurde jetzt von ihrem Körper, von ihrem Fleisch und Blut umgeben und hatte mit seiner seltsamen, unglaublichen Magie keinen direkten Zugriff mehr auf die Außenwelt!
    Zamorra ahnte, daß dies jetzt der Moment war, in dem er etwas gegen die mächtige Hexe unternehmen konnte.
    Und genau das tat er jetzt.
    Er
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