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0623 - Odyssee des Grauens

0623 - Odyssee des Grauens

Titel: 0623 - Odyssee des Grauens
Autoren: Werner Kurt Giesa
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an.
    »Dieser Mann und seine Begleiterin stehen unter meinem Schutz. Habt ihr das verstanden? Wenn er uns helfen kann, den Fluch zu brechen, soll er das tun, und wir sollten ihn dabei unterstützen! Ich möchte endlich wieder das Grab des Propheten besuchen können. Und ich möchte ganz normal sterben können wie jeder andere Mensch.«
    Zamorra sah von einem zum anderen.
    Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen und Zeitaltern.
    Er begann sich zu fragen, ob es ein Fehler gewesen war, durch das von dem Irrwisch offengehaltene Weltentor zu gehen.
    Vielleicht hätten sie in der Hölle eine bessere Chance gehabt…
    ***
    Der Araber führte Zamorra, Nicole und den Irrwisch, den er nach wie vor für einen Dschinn hielt, über das Schiff. Sonderlich groß war es nicht; gut fünfzig Meter lang, etwa fünfzehn Meter breit und mit zwei Masten. Sadr zufolge sollte es einmal einem holländischen Reeder gehört und den stolzen Namen ›Zigeunerstern‹ getragen haben.
    »Hieß der Reeder zufällig Robert van Dyke?« fragte Zamorra und dachte an seinen Freund Robert Tendyke, der seit fünf Jahrhunderten durch die Weltgeschichte spukte und unter den verschiedensten Namen überall seine Spuren hinterlassen hatte. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte er sich als Reeder van Dyke in Holland etabliert gehabt. Der Schiffsname ›Zigeunerstern‹ paßte - Tendyke stammte mütterlicherseits aus einer Zigeunerfamilie; sein Vater hingegen war der einstige Fürst der Finsternis, Asmodis.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ahmed ibn Sadr. »Das Schiff muß auch noch viel älter sein. Vielleicht hat der Holländer es jemandem abgekauft oder erbeutet… wer weiß? Überall gibt es Spuren von Umbauten. Ich nehme an, daß es schon ein paar Jahrhunderte alt ist. Aber ich verstehe nicht, wieso es nicht längst auseinandergefallen ist. Kein Schiff hält mehr als zehn, fünfzehn Jahre. Dabei haben wir die Welt schon mehrmals umsegelt. Und nicht nur diese.«
    Zamorra nickte. Er wußte, daß die Segelschiffe früher kaum mehr als vier oder fünf große Fahrten hinter sich brachten, dann waren sie dermaßen marode, daß sie schon beim geringsten Sturm auseinanderbrachen.
    »Nicht nur diese? Also mehrere Welten?« fragte er.
    »Natürlich. So lange, wie wir schon unterwegs sind… da reicht eine einzige Welt nicht aus. Hundertfünfzig Jahre sind es bestimmt schon. Ich habe das Zählen aufgegeben. Weißt du zufällig, mein französischer Freund, welches Jahr wir heute schreiben?«
    »Neunzehnachtundneunzig.«
    Der Araber verschluckte sich. »Was? Schon? Das… das ist ja… dann bin ich schon sechshundert Jahre hier?«
    »Das mußt du selbst am besten wissen«, sagte Zamorra. »Ich weiß ja nicht, wann du geboren wurdest.«
    »Über sechshundert Jahre«, seufzte der Araber. »Bei Allah! Daß es so lange her ist, hätte ich nicht gedacht. Weißt du, ich zähle längst nicht mehr, und ich vergesse auch viel von diesen Dingen. Manchmal, in meinen Träumen, weiß ich alles wieder. Aber dann, wenn ich erwache, ist es sofort wieder vorbei.«
    »Und die anderen? Der Römer muß doch schon viel länger als du hier sein. Vor sechshundert Jahren gab es längst keine römischen Legionen mehr. Oder kostümiert ihr euch alle nach eurem Gutdünken?«
    »Natürlich nicht!« protestierte Sadr. »Wovon denn? Wir besitzen nur das, was wir am Leib tragen. Das, womit wir an Bord gekommen sind.«
    »Nach sechshundert Jahren ständigen Tragens sieht deine Kleidung aber nicht gerade aus«, sagte Zamorra.
    »Natürlich nicht. Sie nutzt sich ja nicht ab. Ebenso, wie wir nicht älter werden. Ich sehe noch genauso aus wie damals, als ich an Bord kam. Ich seh's jedem Tag, wenn ich in den Spiegel blicke.«
    »Roanas Sachen sehen aber schon sehr abgetragen aus«, erinnerte Nicole. »Sie wollte ja wohl auch nicht ganz umsonst meine Kleidung haben.«
    »Sie sah schon so aus, als sie an Bord kam«, erklärte der Araber.
    »Und wann war das?« erkundigte sich Nicole.
    »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Es war neunzehnachtundsiebzig«, warf die Rothaarige ein, die unbemerkt zu ihnen getreten war. »Jetzt bin ich also rund zwanzig Jahre auf diesem Seelenverkäufer? Ein netter Jungbrunnen, den wir da haben, wie? Wenn wir das Schiff nur irgendwann wieder verlassen könnten! Ich habe zu Hause ein wenig Spargeld auf dem Konto. Das müßte sich inzwischen recht gut verzinst haben. Ich könnte ein kleines Haus davon kaufen, oder einfach nur von den Zinsen leben. Aber es geht nicht. Wir kommen hier
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