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0615 - Die Satans-Vision

0615 - Die Satans-Vision

Titel: 0615 - Die Satans-Vision
Autoren: Jason Dark
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ihn ausfließen. Anne hatte sich vorgenommen, über die furchtbaren Ereignisse nachzudenken – so weit kam es gar nicht, weil sie einfach nicht in der Lage war, die Vorgänge nüchtern zu analysieren. Sie steckte zu tief drin.
    Wenn sie die Asche abstreifte, zitterten ihre Hände so stark, daß sie beinahe die Glut zerdrückt hätte. Jetzt wünschte sie sich, nicht mehr allein zu sein. Jemand sollte bei ihr sitzen, der ihr Trost zusprach und sie auch verstand.
    Pierre wäre der Richtige gewesen. Nur, sie wußte nicht einmal, wo sie ihn erreichen sollte. Sie hatte seine Anschrift nicht und mußte sich voll und ganz auf sein Versprechen verlassen, am nächsten Tag anzurufen.
    Genau in dem Moment schlug das Telefon an. Es stand in Greifweite. Anne bedachte den Apparat mit einem ängstlichen Blick, als würde sie sich vor ihm fürchten.
    Nach dem sechsten Läuten hob sie den Hörer vorsichtig in die Höhe und kam nicht mehr dazu, sich zu melden, weil der Anrufer schneller war.
    »Hallo, Cherie, wie geht es dir?«
    »Pierre! Gütiger Himmel!« Sie schrie und schluchzte den Namen ihres neuen Freundes zugleich.
    Dann hörte sie sein Lachen. »Meine Güte, was ist denn los? Was hast du? Ich wollte dir…«
    »Es ist furchtbar, Pierre.«
    »Wieso? Was?« Seine Stimme hatte einen lauernden Klang bekommen. Die Sanftheit war verschwunden.
    »Blut – überall Blut.«
    »Wo?«
    »In meinem Zimmer.«
    »Hast du dich verletzt?«
    Sie schüttelte den Kopf, obgleich er es nicht sehen konnte. »Nein, ich habe mich nicht verletzt.«
    »Wie kommt dann das Blut in deinen Raum?«
    »Es ist ja nicht mehr da!« rief sie laut, weinte und hörte dann zu, als der Mann beruhigend auf sie einredete und es auch schaffte, daß Anne der Reihe nach berichtete und nicht immer von Weinkrämpfen unterbrochen wurde.
    Sie brauchte Minuten, um alles in die Reihe zu bekommen. Dann wartete sie auf seine Reaktion.
    Zunächst hörte sie nichts, bis auf die heftigen Atemgeräusche des Mannes.
    Möglicherweise war er zu sprachlos, um einen Kommentar abgeben zu können.
    »Sag doch was, Pierre!« flehte sie.
    »Ich, ich weiß nicht.«
    »Du glaubst mir nicht, wie?«
    Er lachte etwas unlustig. »Was soll ich dazu sagen? Ich habe es zweimal mitbekommen, ohne es selbst erlebt zu haben. Vielleicht solltest du tatsächlich zu einem Arzt gehen.«
    »Das habe ich mir auch gesagt. Nur ist es keine Lösung. Wenigstens nicht für den Augenblick. Ich fühle mich so furchtbar allein, und eine lange Nacht liegt noch vor mir.«
    »Das verstehe ich gut.«
    »Kannst du denn nicht kommen?«
    Sofort erfolgte die Antwort. »Das würde ich gern, nur schaffe ich es diesmal nicht. Ich bin noch bei meinem Kollegen, wir haben einige Probleme. Außerdem habe ich etwas getrunken.«
    »Es gibt aber Taxis.«
    »Sicher…«
    Diesmal lachte Anne. »Ich merke schon, daß es keinen Sinn hat, Pierre. Du glaubst mir nicht. Ich sehe ein, daß es schwer ist, und ich komme mir schon selbst vor wie eine überspannte Ziege. Vielleicht sehen wir uns ja morgen. Diese Nacht wird auch vorbeigehen, daran glaube ich fest. Schlaf nur gut, Pierre…«
    Damit legte sie auf, starrte wieder ins Leere, schüttelte den Kopf und mußte erneut weinen. Sie hatte nicht damit gerechnet, diese Abfuhr zu bekommen, aber da war nichts zu machen.
    Anne Geron wußte nicht, wer und was sie eingekreist hatte, aber sie glaubte daran, daß dieses Unsichtbare es schaffte, sie irgendwann zu zerdrücken…
    ***
    Für mich war es ein wunderbares Gefühl, von Paris aus in Richtung Süden zu fahren, in einem Panorama-Speisewagen zu sitzen und die Reise zu genießen.
    Ich hatte mir ein gutes Frühstück ausgesucht, der Flug war ebenfalls ohne Turbulenzen verlaufen und konnte eigentlich mit mir und der Welt zufrieden sein.
    Wenn ich recht darüber nachdachte, so glich diese Reise mehr einer Ferienfahrt, und die hatte ich mir verdient, da war ich Egoist genüg, um mir dies zuzugestehen.
    Im Zug befanden sich meistens Geschäftsreisende, fast nur Männer, wenig Frauen. Die meisten Köpfe waren hinter den ausgebreiteten Zeitungen verborgen. Hin und wieder schlängelte sich eine Hand hervor, die nach einer Tasse Kaffee griff oder nach einem der frischen, knusprigen Croissants, die auch mir gut mundeten.
    Ich wollte nicht ewig den Platz im Speisewagen belegen – andere hatten schließlich auch Hunger – beglich die Rechnung und begab mich in den Großraumwagen, wo ich mir einen bequemen Platz und einen der dreh- und kippbaren Sessel
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