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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld
Autoren: Elizabeth George
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Mir ist überhaupt alles egal. Rühr mich bloß nicht an. Laß mich hier raus.«
    Eine Tür fiel krachend zu. Jemand rannte durch den oberen Korridor.
    Schwanger? fragte sich Cecily, während sie sich mit Sorgfalt die Wimpern tuschte und dann etwas Rouge auflegte. Sie fand die Vorstellung, daß Rebecca tatsächlich einen Mann gefunden haben sollte, der freiwillig mit ihr geschlafen hatte, fast unglaublich. Wenn das zutraf, dann war alles möglich. Sie musterte ihre Cousine forschend.
    Rebecca sah nicht gerade aus wie eine Frau, die ihre Erfüllung gefunden hatte. Wenn es stimmte, daß Frauen in der Schwangerschaft aufblühten, so war Rebecca offensichtlich erst in einem Vorstadium des Knospens - mit einer Neigung zu Hängebacken und Augen, die die Größe und Form von Murmeln hatten. Immerhin, sie hatte eine sehr schöne Haut und einen recht hübschen Mund. Aber irgendwie ergaben die einzelnen Details nicht ein harmonisches Ganzes.
    Es war im Grunde nicht ihre Schuld, sagte sich Cecily. Eigentlich hätte man wenigstens ein Fünkchen Mitleid mit einer Frau haben müssen, deren Äußeres so vom Schicksal benachteiligt war. Aber jedesmal, wenn Cecily sich bemühte, aus den Tiefen ihres Herzens ein, zwei freundliche Gedanken hervorzukramen, zerquetschte Rebecca sie wie lästige Insekten.
    Wie auch jetzt.
    Ihren Brautstrauß wütend in den Händen drehend, lief Rebecca in dem kleinen Raum unter den Kirchenglocken hin und her. Der Boden war schmutzig, aber sie raffte weder ihren Rock noch ihre Schleppe. Das tat ihre Mutter für sie. Satin und Samt in den Händen, folgte sie ihrer Tochter wie ein treues Hündchen. Cecily stand abseits zwischen zwei Blecheimern, einer Rolle Seil, einer Schaufel, einem Besen und einem Haufen Lumpen. Ein alter Staubsauger lehnte an einem Stapel Kartons, und vorsichtig hängte sie ihren eigenen Strauß an dem Metallhaken auf, der eigentlich für das Kabel des Staubsaugers gedacht war. Sie hob den Rock ihres Samtkleids, damit er den Boden nicht berührte. Die Luft in dem kleinen Raum war muffig, und man konnte kaum eine Bewegung machen, ohne irgend etwas zu berühren, was nicht vor Schmutz starrte. Aber wenigstens war es warm.
    »Ich hab ja gewußt, daß so etwas passieren würde.«
    Rebecca erwürgte die zarten Blumen in ihren Händen. »Die ganze Trauung fällt ins Wasser, und die draußen lachen sich kaputt über mich. Ich kann ihr Gelächter richtig hören.«
    Mrs. Townley-Young vollführte im Gleichschritt mit ihrer Tochter eine Vierteldrehung und raffte dabei noch etwas mehr Satin in ihren Armen zusammen. »Kein Mensch lacht«, versicherte sie; »Mach dir keine Gedanken, Herzchen. Das ist nur irgendein dummes Mißverständnis. Dein Vater bringt das bestimmt sofort in Ordnung.«
    »Wieso soll es ein Mißverständnis sein? Wir waren doch erst gestern nachmittag bei Mr. Sage. Und als letztes sagte er noch: ›Wir sehen uns dann morgen vormittag.‹ Und das soll er einfach vergessen haben und verschwunden sein?«
    »Vielleicht hatte er einen Notfall. Es kann doch sein, daß jemand im Sterben liegt. Vielleicht wollte jemand...«
    »Aber Brendan ist noch mal umgekehrt.«
    Rebecca hielt in ihren Wanderungen inne. Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie nachdenklich auf die Westwand des Glockenturms, als könnte sie durch sie hindurch das Pfarrhaus über der Straße sehen. »Ich war schon beim Auto, da sagte er, er hätte noch etwas vergessen, was er Mr. Sage fragen wollte. Er ist noch einmal umgekehrt. Er ist noch einmal ins Haus gegangen. Ich habe bestimmt eine Minute gewartet.
    Nein, länger, zwei oder drei. Und...«
    Sie wirbelte herum und begann wieder zu marschieren. »Er hat überhaupt nicht mit Mr. Sage gesprochen. Es ist dieses Weib. Diese Hexe! Die steckt dahinter, Mutter. Das weißt du doch so gut wie ich. Aber warte nur, der werd ich's zeigen.«
    Cecily fand diese Wendung der Dinge einigermaßen interessant. Das versprach unter Umständen noch ganz unterhaltsam zu werden. Wenn sie diesen Tag schon im Namen der Familie ertragen mußte, dann, sagte sie sich, konnte sie wenigstens versuchen, sich die Qual ein wenig zu versüßen. Sie fragte also: »Wem denn?«
    Mrs. Townley-Young sagte in freundlichem, aber strengem Ton: »Cecily!«
    Doch die kurze Frage hatte genügt. »Polly Yarkin.«
    Rebecca stieß den Namen zähneknirschend hervor. »Dieser widerlichen kleinen Schlampe im Pfarrhaus.«
    »Die Haushälterin, meinst du?« fragte Cecily. Diese überraschende Wendung mußte doch näher
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