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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht
Autoren: Paul Wolf
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schweigend die Diele seines Reihenhauses in der Abraham Road. Während er den Trenchcoat in der Garderobe ablegte, war sein Blick ins Leere gerichtet. Er sah aus der Diele ins Wohnzimmer, nahm aber keine Einzelheiten wahr und starrte durch die Dinge hindurch. Miß Pickford war sowieso Luft für ihn. Er wunderte sich selbst darüber, wie schnell er sich an sie gewöhnt hatte. Seit sie in der Jugendstil-Villa, dem Hauptquartier seiner Inquisitions-Abteilung, den Haushalt führte, hatte er eine dicke Haut bekommen. Ihre ständigen Nörgeleien, ihre Ermahnungen und Vorwürfe ließen ihn kalt, so wie jetzt, als sie auf sein Erlebnis in Hongkong anspielte. Es berührte ihn nicht, weil er überzeugt war, daß sie nicht merkte, wie geschmacklos ihre Bemerkungen waren.
    Ja, die Dämonen hatten ihn lebendig begraben, um ihn von einem Ghoul auffressen zu lassen. So etwas hinterließ Spuren in der Psyche eines Menschen.
    Das Haus wirkte still und verlassen, obwohl Miß Pickford da war, die wie eine Glucke den Hermaphroditen Phillip Hayward bewachte, und auch Donald Chapman, der fußgroße Puppenmann. Vor dem Haus waren zwei Exekutor Inquisitoren postiert. Trotzdem machte das Haus einen verlassenen Eindruck. Dorian war nur noch selten hier, seit seine Frau Lilian nicht mehr bei ihm lebte. Auch sie hatten die Dämonen auf dem Gewissen. Sie war von ihnen in den Wahnsinn getrieben worden und mußte ihr Dasein nun in der O’Hara-Stiftung fristen.
    Und jetzt kam Dorian an die Reihe. Er wußte, daß Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, alles tun würde, um ihn zu vernichten. Deshalb mußte er rasch handeln, um die Pläne des Fürsten der Finsternis zu durchkreuzen.
    Er ging ins Wohnzimmer und strich gedankenverloren mit den Fingern über die Abstellfläche eines Beistelltisches.
    „Sie brauchen mich gar nicht zu kontrollieren, Mr. Hunter!“ keifte Miß Pickford hinter ihm. „Ich habe überall saubergemacht und natürlich auch Staub gewischt.“
    Als ob er keine anderen Sorgen hätte!
    Dorian ging weiter in die Bibliothek. Dort saß Donald Chapman auf der obersten Treppe einer Leiter vor einem Regal. Er befand sich gerade in Dorians Kopfhöhe.
    „Was gefunden, Don?“ fragte der Dämonenkiller den Puppenmann.
    „Ich habe das Fürchten in deinem Gruselkabinett gelernt“, sagte Donald Chapman mit gespieltem Schaudern. „Aber ich habe nichts gefunden, was nicht zu deiner Horror-Sammlung gehört.“
    Auch Donald Chapman war ein Opfer der Dämonen. Der Puppenmacher, einer von Dorians angeblichen Brüdern, hatte aus ihm einen fußgroßen Zwerg gemacht, und es schien kein Mittel zu geben, ihm wieder zu seiner ursprünglichen Größe zurückzuverhelfen. Aber Chapman schien sich mit seinem Los überraschend schnell abgefunden zu haben. Wegen seiner Kleinheit eignet er sich hervorragend dazu, verborgene Winkel nach Fallen der Dämonen abzusuchen.
    Die Dämonen konnten natürlich nicht wissen, daß Dorian den Entschluß gefaßt hatte, sich für eine Weile in dieses Haus zurückzuziehen. Dennoch war es möglich, daß sie mit seiner Rückkehr hierher rechneten und für alle Fälle ihre Netze ausgelegt hatten. Dorian wollte kein Risiko eingehen. Deshalb hatte er Donald Chapman und den Hermaphroditen Phillip mit der Durchsuchung des Hauses beauftragt.
    „Bist du jetzt fertig?“ fragte Dorian den Puppenmann.
    „Ich habe das ganze Haus vom Dachboden bis zum Keller abgesucht“, berichtete Chapman. „Übrigens hast du Ratten im Keller. Ich mußte zwei der Biester töten, weil sie in mir eine willkommene Mahlzeit sahen.“
    So leicht ertrug Chapman sein Schicksal, daß er darüber sogar scherzen konnte, obwohl es für ihn unvorstellbar schwer sein mußte, sich in der Welt der normalen Menschen zurechtzufinden.
    „Dann kannst du dich zurückziehen, Don“, sagte Dorian mit müder Stimme.
    „Wäre es nicht besser, wenn ich hierbliebe?“ meinte Chapman. „Du kannst bestimmt einen Schutzengel brauchen.“
    Dorian schüttelte den Kopf. „Ich möchte allein sein. Außerdem bewachen Cohen und Powell das Haus.“
    Er schreckte hoch, als er in der Tür eine Bewegung sah, entspannte sich aber sofort, als er Phillip Hayward erkannte, der lautlos und wie ein Traumwandler in die Bibliothek kam.
     

     
    Dorian erhob sich und ging auf den Hermaphroditen zu. Als er sah, daß dieser fröstelte, legte er ihm einen Arm um seine schmalen Schultern. An den beiden Ausbuchtungen unter Phillips Hemd sah er, daß dem Hermaphroditen wieder Brüste
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