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0589 - Die Kugelköpfe

0589 - Die Kugelköpfe

Titel: 0589 - Die Kugelköpfe
Autoren: Jason Dark
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klettern und dich nachholen. Du weißt ja, daß es gleich schräg sein wird. Leg dich bitte flach auf den Bauch, dann kann uns nichts passieren.«
    »Mach’ ich, John…«
    Die Kleine gefiel mir. Durch ihr Verhalten gab sie mir sogar etwas Hoffnung. Es war ein Kinderspiel, das Zimmer zu verlassen, dann wurde es schwieriger. Ich legte mich parallel zur Dachrinne flach auf den Bauch und spürte unter meiner dünnen Kleidung die harten Kanten der Pfannen. Den Kopf zur linken Seite gedreht, blickte ich gegen das offene Fenster, in dessen Ausschnitt Yüla erschien.
    »Alles klar?«
    Sie nickte.
    »Dann komm bitte. Aber sehr, sehr vorsichtig. Du darfst dich nicht verkehrt bewegen und mußt dich so auf das Dach legen, wie ich auch hier liege.«
    »Mach’ ich, John.«
    Sie war wirklich klasse. Behutsam kletterte sie auf den Fensterrand und behielt dabei meinen ausgestreckten Arm im Auge sowie die gespreizte Hand.
    Noch schaute ich in ihr Gesicht. Die dunklen Augen waren noch weiter geöffnet. War ihr Blick geheimnisvoll, war er ängstlich, oder konnte er dem Kind Vertrauen einflößen?
    Ich lächelte noch einmal und sagte leise: »Bitte, Yüla…«
    Noch hatte sie Einwände. Mein Gott, was mußte im Kopf einer Fünfjährigen vorgehen…
    »Aber das Dach… es … ist einfach so schräg. Ich habe Angst, daß ich falle.«
    Die hatte ich auch, nur konnte ich Yüla das nicht sagen. Statt dessen bekam sie eine andere Antwort von mir. »Keine Sorge, wir beide schaffen es schon. Du hilfst mir, ich helfe dir. Alles klar?«
    »Kann ich das denn?«
    »Sicher, doch.« Mir saß die Zeit im Nacken, das konnte ich ihr leider nicht sagen. Ich mußte sie anders überzeugen, ihr Vertrauen gewinnen.
    Die Pupillen in den Augen bewegten sich, ihre Mundwinkel zuckten leicht. Sie schielte dem Himmel entgegen, ich hörte sogar ihre heftigen Atemzüge, die mir entgegenwehten. Als sie noch einmal zurückschaute, sah ich meine Felle schwimmen.
    Dann bewegte sie sich.
    Zuerst zitternd. Ich sah die kleinen Finger, wie deren Kuppen vibrierten, ein leises Schluchzen tat meinen Augen weh, dann durchlief ein Ruck ihren Körper.
    Sie kam.
    Sehr vorsichtig schob sie sich über den Fensterrand hinweg. Die Augen dabei starr auf mich gerichtet, diesmal weniger mit Angst gefüllt, dafür mit Vertrauen.
    Die Sonne brannte mir auf den Rücken. Auch meine Handflächen waren feucht, und die des Mädchens ebenfalls. Es war riskant, wie leicht konnten wir rutschen.
    »Halt dich gut fest!« flüsterte ich ihr zu. »Immer nur festhalten, dann klappt es. Am besten wird es sein, wenn du an nichts denkst.«
    Bei diesen Worten schob ich meine Hand weiter vor und umklammerte das Gelenk der Kleinen.
    So klappte es besser…
    Meine Beine hielt ich gespreizt, weil ich in dieser Lage den besten Halt hatte.
    Es war ein Risiko, aber wir beide schafften es. Vielleicht half der Kleinen auch mein Lächeln, das trotz der Konzentration wie festgeklebt auf den Lippen lag.
    Auch Yüla spreizte die Beine. Sie lernte sehr gut, ich lobte sie mit flüsternden Worten, hörte ihr scharfes Atmen, dann rutschte sie mir entgegen.
    Sie lag neben mir, den Kopf gedreht, sich an meiner linken Schulter haltend, während es rechts von uns der Dachrinne entgegen und in die Tiefe ging.
    Wenn ich daran dachte, was sich unter uns tat, wurde mir ganz anders. Den Gedanken schob ich zur Seite. Yüla war wichtiger, denn ich mußte ihr auch Mut zusprechen. Bei einem fünfjährigen Kind konnte man in einer dermaßen schwierigen Lage nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
    »Bist du okay?«
    »Ich glaube ja, John.« Sie hob den Kopf etwas an. »Oh!« staunte sie. »Das ist ein toller Blick, das ist ja super. Ich habe noch nie über die Dächer geschaut.«
    »Ja, es ist schön.«
    »Auch gefährlich, nicht?«
    »Stimmt, deshalb müssen wir vorsichtig sein. Fühlst du dich gut? Können wir weiter?«
    »Wegen mir schon.«
    Wir mußten zum Rand des Daches gelangen, und zwar auf der Schmalseite des Hauses, an die sich ebenfalls die schmale Seite des Nachbarhauses anschloß. Die beiden Dächer gingen fast nahtlos ineinander über. Wenn wir das andere erst einmal erreicht hatten, war es ein Kinderspiel, durch ein Dachfenster zu klettern und die Flucht vom Nachbarhaus anzutreten.
    Ein gar nicht mal langer Weg, wenn man ihn normal zurücklegen konnte, was wir allerdings nicht schaffen würden. Ich kroch und zog Yüla mit. Schon nach einer kurzen Strecke hörte ich ihren leisen Schrei, dabei auch das Weinen, und ich
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