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0573 - Der uralte Henker

0573 - Der uralte Henker

Titel: 0573 - Der uralte Henker
Autoren: Jason Dark
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sein.«
    »Vielleicht.«
    Der alte Mönch nickte. »Ich möchte etwas trinken«, sagte er.
    »Weißt du noch, wie wir damals unseren Selbstgebrannten Grappa getrunken haben, Bernardo?«
    »Wie könnte ich das je vergessen?«
    »Ich habe noch eine Flasche. Sei so gut und hol sie aus dem kleinen Schrank. Gläser stehen dort auch.«
    Der Schrank war nicht mehr als ein Spind, auch nicht breiter. Bernardo öffnete die Tür. In Augenhöhe standen die Grappa-Flasche und Gläser auf dem Boden eines Regalbretts.
    Beides stellte er auf den Tisch.
    »Und jetzt schenk ein, Bernardo. Mach es wie früher. Sei nicht zu geizig.«
    Bernardo mußte lachen. »Mein lieber Freund, der Grappa hat es in sich.«
    »Das muß auch so sein. Der echte ist immer stark. Bitte, ich brauche ihn. Es kann der letzte Grappa meines Lebens sein.«
    Der Satz erschreckte Bernardo. Er hatte den Korken aus der Öffnung gezogen, seine Hand aber rührte sich nicht. Sie blieb neben der Flasche auf dem Tisch liegen.
    »Du schenkst ja nicht ein? Ich höre nichts.«
    »Bitte, Francesco, wie kannst du einen alten Schüler und Freund nur dermaßen erschrecken?«
    Der Ältere lachte. »Aber was hast du, Bernardo? Ich habe nicht gelogen. Es kann der letzte Grappa meines Lebens sein. Stell dich nicht so an. Wir sind erwachsen.«
    »Du trinkst fast jeden Tag einen«, sprach Bernardo in das Gluckern der aus der Flaschenöffnung strömenden Flüssigkeit.
    »Das stimmt.«
    »Wenn du aber so denkst, müßtest du damit rechnen, noch heute zu sterben?«
    Pater Francesco stöhnte auf. Er wischte über sein Gesicht, dessen helle Haut durch Altersflecken gezeichnet war. »Ich glaube, Bernardo, ich habe den Ruf unseres Schöpfers bereits empfangen, das er gewillt ist, mich zu sich zu nehmen.«
    »Unsinn, du hast noch Kraft. Du bist ein festes Glied der Gemeinschaft. Viele Jüngere unserer Brüder holen sich Rat bei dir. Auch mir ist es so ergangen.«
    »Ja, ja, ja…« Der Pater winkte ab. »Irgendwo stimmt das auch. Aber ich weiß, daß man mich auch oft nicht ernst nimmt. Man kommt nur her, spricht einige Sätze mit mir und geht wieder. Ich bin einfach zu alt für diese Welt, die nicht mehr die meine ist. Die langen Jahrzehnte haben viel gebracht, es hat sich eine Menge verändert und nicht immer zum Guten, wie du auch weißt.«
    »Das ist korrekt.«
    Padre Francesco griff nach seinem Glas. Er mußte es zunächst ertasten, dann umfaßte er es mit festem Griff und hob es an. »Laß uns darauf trinken, mein Freund! Auf den letzten Rest oder die letzten Tage unserer Freundschaft. Salute«, sagte er wie ein alter Thekengänger und setzte den Rand des Glases an die Lippen.
    Er konnte nicht erkennen, daß Bernardo sein Glas nicht einmal zu einem Fünftel gefüllt hatte. In dem des Alten schimmerte die gelbliche Flüssigkeit zur Hälfte.
    Wenn Pater Francesco trank, glich dies einer Zeremonie. Zuerst schmeckte, dann schlürfte, dann kippte er. Es machte ihm auch nichts aus, fast alles zu trinken.
    Mit einem wohligen Stöhnlaut setzte er das Glas wieder ab. »Ja, das hat gutgetan. Es war wundervoll. Ich liebe den Grappa. Wir haben ihn sehr gut gebrannt.« Er hörte, wie Bernardo das Glas abstellte und fragte: »Hast du es schon leer?«
    »Nein, noch nicht.« In der Tat bedeckte noch ein Rest die runde Fläche.
    »Dabei hattest du weniger.«
    Fast wäre Bernardo noch rot geworden. Dieser alte Fuchs, dachte er, hat dich doch tatsächlich überlistet.
    »Jetzt staunst du, nicht?«
    »In der Tat.«
    »Ja, mein Freund.« Padre Francesco hob eine Hand, streckte den Finger aus und bewegte ihn. »Ich sage dir nur eines: Manchmal braucht man seine Augen nicht, um sehen zu hören. Man kann auch mit den Ohren sehen, wenn du verstehst.«
    Bernardo begriff schnell. »Du hast es gehört, nicht? Als ich mir den Grappa einschenkte.«
    »Richtig.«
    »Raffiniert.«
    Francesco freute sich diebisch! Er griff wieder zu und trank auch noch den Rest. »Wie lange willst du noch bleiben, Bernardo?«
    »Über Mittag.«
    »Si, das ist gut. Die Nonnen sollen ein prächtiges Essen zubereitet haben. Einen Kaninchenbraten. Weich wie Butter und ausgezeichnet gewürzt. Mit Kräutern aus der Toscana. Das Essen lasse ich mir auch nicht entgehen, Bernardo. Aber wenn du wirklich so lange bleiben willst, könntest du mir einen Gefallen tun.«
    »Gern.«
    »Führe mich noch etwas in den Garten, mein Sohn. Ich will die frische Luft genießen.«
    »Natürlich. Sofort?«
    »Si.«
    Der alte Mann stand auf. Bernardo wollte ihm
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