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051 - Im Orbit

051 - Im Orbit

Titel: 051 - Im Orbit
Autoren: Jo Zybell
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und in ihren Reaktionen stark verlangsamt waren. Ich hatte ihnen den gentechnisch manipulierten Geosiphon ins Trinkwasser gemischt.
    Nicht dass ich persönlich etwas gegen Taro Yakumori gehabt hätte. Im Gegenteil, ich schätzte ihn als überaus fähigen Bio-Informatiker. Aber von den drei Quertreibern vor dem Eintritt in den Schleusentunnel war er mir am nächsten. Ich schoss ihm gezielt in die Brust.
    Man möge mir glauben: Der Schuss fiel mir nicht leicht. Und davon zu berichten ebenfalls nicht. Aber ich musste es tun. Jeder Tag, an dem sieben Menschen zu viel die Atemluft und vor allem den Proviant in der ISS verbrauchten, schmälerte die Erfolgsaussichten meines humanitären Projektes. Die Rettungsfähre musste so schnell wie möglich und mit so vielen Besatzungsmitgliedern wie möglich starten. Ich stand unter Sachzwängen, auf die ich keinen Einfluss hatte.
    Nach Yakumoris Tod ging die Besatzung von X-38 ohne weitere Schwierigkeiten an Bord. Nur Marsha Hunt nicht. Nicht weil sie nicht wollte, sondern weil ich nicht wollte. Ich spritzte ihr Diazepam in die Vena Jugularis, und Dr. Winter zog sich mit der Bewusstlosen ins Columbus-Modul zurück.
    Heute weiß ich, dass ich einen Fehler gemacht habe: Ich hätte Commander Bernstein statt Dr. Yakumori erschießen sollen…
    ***
    Ende Dezember 2517
    »Ich habe Angst«, sagte die Frauenstimme in Hollydays Helmfunk. Ein entwaffnendes Bekenntnis. »Ich kann nicht.« Die Stimme zitterte und klang so kraftlos, dass er sich ernsthaft Sorgen machte. »Ich schaff das nicht.«
    Hollyday griff nach den Beinen, die über ihm aus der runden Öffnung der flexiblen Röhre ragten, welche Drax von der ISS aus zur Schleusentür des integrierten Laboratoriums manövriert und verankert hatte. Damit stand die Verbindung zwischen Shuttle und Raumstation - sie mussten nur noch überwechseln. Die automatische Schleuse konnten sie nicht benutzen, da sie von der ISS aus bedient werden musste.
    Behutsam zog Hollyday den in einen weißen Raumanzug gehüllten Frauenkörper wieder aus der schmalen Tunnelröhre, bis Aruula direkt vor ihm schwebte. Gemeinsam sanken sie nach unten auf die Metallplatten am Boden des kleinen Labors, von dessen Fenstern man in die Ladebucht blicken konnte. Captain Chambers, die als Letzte dort wartete, zog die Barbarin ganz herab. Bis die Sohlen ihrer EM-Stiefel die glänzenden Metallplatten berührten und darauf haften blieben. Die Illusion von Schwerkraft stellte sich ein.
    Mit der Rechten tastete Aruula unsicher nach ihrem Schwert. Um keinen Preis wollte sie es an Bord der Queen Victoria zurücklassen. Sie hatte es mit dem Griff an einer Schlaufe des Raumanzugs befestigt, wo es schwerelos umher pendelte.
    Hollyday blickte in ihr bronzefarbenes Gesicht. Schweißtropfen schwebten zwischen Kopf und Helmglas und glänzten auf ihrer Stirn.
    »O Scheiße«, stöhnte er. Mit einem weiteren Handgriff fasste er an den Rückenteil ihres Raumanzugs und erhöhte die Sauerstoffzufuhr ihrer Atemluft.
    »Atme tief durch.« Er riss den Mund auf, um es ihr vorzumachen. »So.« Sie gehorchte und fixierte ihn dabei mit großen ängstlichen Augen. So kannte er die Barbarin nicht.
    »Was ist da unten los?« Drax' Stimme im Helmfunk. »Warum kommt ihr nicht nach?«
    »Deine Freundin - sie…« Sie hat die Hosen voll, wollte er sagen, besann sich aber im letzten Moment. »Sie hat Probleme, in den Tunnel zu kommen. Liegt wahrscheinlich an der Schwerelosigkeit.«
    Für einen Augenblick herrschte Stille im Helmfunk. Hollyday konnte Matthew Drax' Atemzüge hören. Dann: »Es ist nicht schlimm, Aruula.« Keine Spur von Ungeduld in seiner Stimme. Fast zärtlich klang sie. »Wirklich nicht. Du schließt die Augen und stößt dich ab. Einen Atemzug später bist du oben bei mir.« Sie nickte, machte aber keine Anstalten, in den Schleusentunnel zu gleiten.
    Hollyday blickte hinauf. Ein dunkles Loch klaffte über ihm. Kein Licht verhieß ein Ende. Er selbst hatte Erfahrung mit solch engen Tunneln. Guerilla-Aktionen gegen den Weltrat fielen ihm ein, bei denen er sich durch ganz andere Gänge gezwängt hatte. Und an die Trainingstage bei der NASA dachte er, wo er unter Wasser das maßstabsgetreue Teilmodell der ISS hundert Mal durch solch einen Schleusentunnel betreten hatte.
    Du?, funkte eine Stimme in seinem Kopf dazwischen. Das war ich. Und außerdem ist es fünfhundertsechs Jahre her…
    Halt dich raus, Mac. So nannte er die Stimme in seinem Kopf - Mac. Die Stimme des fremden Bewusstseins. Du
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