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047 - Die letzten Tage von Riverside

047 - Die letzten Tage von Riverside

Titel: 047 - Die letzten Tage von Riverside
Autoren: Jo Zybell
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und drehte sich nach dem Kondor um. Der Riesenvogel schleppte sich auf das Ufer zu; er robbte mehr, als dass er hüpfte. Immer wieder brach er zusammen und musste sich aufs Neue hochstemmen. Mit seinem unverletzten Flügel pflügte er den Grasboden um. Er war noch knapp zwanzig Meter entfernt.
    Matt riss erneut an der Schwinge des Vogelkadavers. So schlagartig gab der schwere Körper nach, dass er rücklings ins Wasser fiel.
    Jemand prustete und stöhnte, Aruulas Kopf tauchte hinter dem gefiederten Kadaver auf. Sie warf sich auf den Rücken des toten Kondors und spuckte Wasser und Blut. Das nasse Haar klebte ihr im Gesicht und am vollgesogenen Fellmantel. Matt stand auf. »Bist du in Ordnung, Baby…?« Er watete zu ihr.
    »Nenn mich nicht ›Baby‹…« Sie war in Ordnung, ohne Zweifel. Erschöpft hing sie über dem Kadaver.
    Matt watete aus dem Wasser. Etwa zehn Schritte vom Ufer entfernt zuckte der angeschossene Kondor im Gras. Das Geschrei war in Gekrächze übergegangen. Seine Schwinge säbelte hin und her und der nackte Kopf pendelte auf und ab.
    Matt achtete sorgfältig darauf, außerhalb des Aktionsradius der unverletzten Schwinge zu bleiben. Fast vier Meter lang war sie, und der Körper des Vogels selbst mochte dreißig bis vierzig Zentimeter größer sein als Matt.
    Abgesehen von der Größe entsprachen Gefieder, Kopf und Halskrause jedoch in etwa dem ihm vertrauten kalifornischen Kondor. Matt schätzte das Gewicht des Vogels auf mindestens zweihundertfünfzig Pfund.
    Als er direkt vor dem Kondor stand, riss dieser den Schnabel auf, fauchte und krächzte.
    »Ich würde dir ja den Gnadenschuss geben«, sagte Matt zu der Bestie, »aber ihr habt mich schon genug kostbare Munition gekostet.« Er entriegelte das Magazin des Drillers und zählte die kleinen Explosivgeschosse. Noch neunzehn Projektile. Er schlug das Magazin zurück in den geschwungenen Waffengriff und steckte den Driller in eine Tasche der nassen Pilotenkombi.
    Hinter ihm schleppte sich Aruula aus dem See. Sie stützte sich auf ihr Langschwert. Matt ging ihr entgegen. »Bist du wirklich in Ordnung?«
    »Meine Rippen tun weh und mein Hintern ist taub. Sonst gings mir schon schlechter.«
    Matt stützte sie und führte sie ans Ufer. Dort ließ sich Aruula ins Gras sinken. »Darf ich…?« Er nahm ihr das Schwert ab. Jedes Mal, wenn sich seine Fäuste um den Knauf schlossen, fragte er sich, wie eine Frau eine derart schwere Waffe führen konnte, so leichthändig, als wäre es ein Bambusstab.
    Er ging halb um den Kondor herum. Dessen gelbe Augen belauerten ihn. Auf der Seite mit dem zerfetzten Flügel blieb er stehen und schulterte die Klinge. Mensch und Tier musterten sich sekundenlang. Dann gab Matt seinem Herz ein Stoß: Er sprang vor und schlug zu.
    Gleich der erste Hieb trennte den nackten Geierhals oberhalb der Gefiederkrause durch.
    »Gut«, kam es müde vom Ufer. Dort schälte sich Aruula aus ihren nassen Fellen. »Guter Schlag.« Sie wrang das Wasser aus ihren Haaren.
    Eine Stunde später stapften sie durch das Gras Richtung Westen. Die San Bernardino- Kette schien zum Greifen nahe. Sie hatten sich Felle und Decken um die nackten Körper gewickelt und sie mit Gurten und Stricken festgebunden. Es war einfach zu kalt, um in nassen Klamotten weiter zu marschieren. Nur die Stiefel hatten sie anbehalten. Unablässig suchten ihre Augen den Himmel ab. Doch die vier Kondore ließen sich nicht mehr blicken.
    Aruula lief vor Matt, und so konnte er sich in etwa vorstellen, wie er selbst jetzt aussah: nackte Beine in hohen Stiefeln, unförmige, pelzige Gestalt, nasses, nach allen Seiten abstehendes Haar. Nichts unterschied ihn äußerlich mehr von einem Barbaren.
    Sie hatten ihre Kleider auf einem aus Schilfrohr und -gras zusammengeschnürten Gestell befestigt, das sie hinter sich her schleiften. Sobald sie den Wald erreicht hatten, wollten sie Feuer machen und die Sachen trocknen. Mindestens einen Tag würde der Angriff der Geier sie kosten. Noch weitere vierundzwanzig Stunden zwischen Matt und seiner alten Heimat. Fast war er erleichtert.
    Der Dunsthimmel verdunkelte sich bereits wieder, als die letzten Ausläufer der Wüste hinter ihnen lagen und das Gelände leicht anzusteigen begann. Von den Geiern war noch immer nichts zu sehen. Die Dämmerung brach ein, und sie standen vor den bewaldeten Hängen der San Bernardino Mountains.
    Wie ein verschlossener Saal erhob sich der Wald vor ihnen - dicht, erhaben und dunkel. Matt stand still. Er musste den Kopf
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