Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0465 - Heute Engel - morgen Hexe

0465 - Heute Engel - morgen Hexe

Titel: 0465 - Heute Engel - morgen Hexe
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
kroch über meinen Rücken. Eine leichte Gänsehaut, die blieb, als ich neben dem Bett meinen Schritt verhielt, den Kopf schief legte und so an dem Küssenden vorbeischaute, dass ich auf das Gesicht der Frau sehen konnte.
    Es hatte sich nicht verändert, bis auf eine Kleinigkeit. Ihre Augen standen offen, und innerhalb der weißen Fläche zeichneten sich pupillenartige Rundungen ab.
    Als würde sie durch den Kuss Leben in sich einsaugen.
    Was sollte ich tun? Warten, bis der Hausmeister fertig war? Oder sollte ich ihn unterbrechen?
    Ich wollte nicht warten und tippte ihm auf die Schulter. Das nahm er nicht zur Kenntnis. Ich wurde aufdringlicher.
    Seine Lippen lösten sich endlich vom Mund der Frau. Er kam hoch, stöhnte und stierte mich an.
    Mir fiel auf, dass sich sein Mund verändert hatte. An ihm klebte Blut.
    Er hob den Arm, winkelte ihn an und wischte sich das Blut ab. Auf dem Handrücken hinterließ es seine Spur.
    »Was ist geschehen?« fragte ich ihn.
    Er gab mir noch keine Antwort. Rick sah aus wie jemand, der aus einem langen, intensiven Traum erwacht war. »Sie rief mich«, flüsterte er. »Ja, sie rief nach mir.«
    »Und?«
    »Sie wollte von mir geküsst werden.«
    »Weshalb haben Sie es getan?«
    »Ich musste es tun, Mr. Sinclair. Das war alles so anders. Diese Frau hatte durch ihre Worte Gewalt über mich bekommen. Verstehen Sie das? Ich war nicht mehr mein eigener Herr. Urplötzlich. Die Stimme war da, ich konnte wirklich nichts mehr machen…«
    »Da haben Sie die Frau geküsst.«
    »Ja.« Seine Antwort klang sehr intensiv. Es war zu hören, dass es ihn auch im Nachhinein noch freute.
    »Was empfanden Sie?«
    »Zuerst nichts. Als ich ihre Lippen berührte, waren sie kalt wie Eis. Ich wollte schon zurückzucken, doch es ging nicht. Je länger dieser Kuss dauerte, um so mehr erwärmten sich ihre Lippen. Es war mir, als würde ich ihr Leben einhauchen. Ja, durch mich erhielt sie ein neues Leben.«
    »Und das hat Ihnen gefallen?«
    »Sehr sogar.«
    Ich hob die Schultern. »Sonst hatten Sie keine Empfindungen, Mr. Stockman?«
    »Doch, doch…«
    »Welche?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Sie waren anders als sonst. Begreifen Sie das?«
    »Nein.«
    »Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll. Das war, als hätte mich ein Rausch gepackt. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Ich sah nur diesen Mund vor mir.«
    »Warum wollte sie von Ihnen geküsst werden?«
    »Weiß ich nicht!«
    Log er mich an? Ich ging einen Halbkreis und betrachtete das blasse Gesicht. Der Mund hatte sich etwas verändert. Er war ein wenig in die Breite gezogen, als würde er lächeln. Und dies voller Ironie oder Triumph.
    Was stimmte da nicht?
    Der Hausmeister schaute auf seine Schuhspitzen. Er atmete tief ein, als würde ihn der Blutgeruch überhaupt nicht stören. Vielleicht stimulierte er ihn auch.
    »Wie war das mit diesem Rausch?« fragte ich ihn. »Wie haben Sie ihn erlebt?«
    »Es war gut.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das steht jetzt nicht zur Debatte. Ich möchte wissen, was Sie empfanden.«
    Stockman richtete seinen Blick schräg gegen die Decke. »Was empfand ich?« wiederholte er. »Fliegen.« Er nickte sich selbst zu. »Es war, als würde ich fliegen, aber nicht in einem Flugzeug, sondern mich aus eigener Kraft bewegen. Ich flog hinein in Welten, wo ich eigentlich kein Ziel sah. Die Welt nahm mich auf, sie umschloss mich. Es war eine andere Zeit, eine dunstige und neblige.«
    »Zeit oder Welt?«
    »Vielleicht beides.«
    »Sie haben also diesen Rausch oder Traum echt erlebt?«
    »Ja.«
    »Wann war er beendet?«
    »Als sich meine Lippen von ihrem Mund lösten, spürte ich nichts mehr. Da war wieder alles normal. Ich sah Sie, ich sah das Zimmer, und ich fühlte mich wie ein Rückkehrer.«
    »Wissen Sie, was Sie jetzt tun wollen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie während des Kusses eine Botschaft empfangen. Hörten Sie vielleicht Stimmen?«
    Stockman überlegte. »Da war etwas«, gab er zu. »Aber ob es eine Stimme gewesen ist, konnte ich nicht genau erkennen. Vielleicht war es eine Botschaft. Man konnte sie auch für mich verschlüsselt haben, ich bin da nicht mehr so sicher, Mr. Sinclair.«
    »Ja, möglich.« Ich blickte auf die Frau. Noch immer lag sie bewegungslos und rührte sich nicht, wobei ich nicht einmal wusste, ob sie lebte oder tot war.
    »Wenn Sie es herausfinden wollen, Mr. Sinclair, warum gehen Sie nicht zu ihr und küssen Sie auch?«
    Dieser Vorschlag lag auf der Hand, aber ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher