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0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits

0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits

Titel: 0456 - Shao - Phantom aus dem Jenseits
Autoren: Jason Dark
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umschloss ihn wie ein grauer Mantel, der sich ständig in Bewegung befand, weil der leichte Nachtwind gegen ihn fuhr und mit ihm spielte.
    Ich wies in den Nebel. »Dort oben ist es!«
    Sheila nickte. »Erkennen kann man ja nichts.«
    »Das wird sich geben. Komm.«
    Wieder fasste sie nach meiner Hand. Gemeinsam stiegen wir in den Dunst und somit auch den Hügel hoch. Der Boden war feucht geworden, die langen Grashalme bildeten, wenn sie von den Sohlen der Schuhe geknickt wurden, eine glatte Bahn.
    Dennoch kamen wir hoch. Sheila atmete schwerer als ich. »Mein Herz!« flüsterte sie. »Ich habe das Gefühl, als würde es in Flammen stehen.«
    »Das kommt von der Aufregung.«
    »Und von der Furcht.«
    »Die brauchst du nicht zu haben. Es ist ja nichts passiert.«
    »Es wird aber etwas geschehen, John. Das spüre ich sehr deutlich. Jede Nervenfaser meines Körpers ist wie eine flüsternde Stimme, die mir darüber Bescheid gibt.«
    »Wir werden sehen.«
    Das letzte Stück war ziemlich steil. Einmal glitt Sheila aus. Da sie sich bei mir festhielt, konnte ich sie halten. Allmählich schälte sich die flache Kuppe des Hügels aus dem Dunst, und wir sahen auch den auf dem Boden liegenden Stein.
    Sheila schauderte zusammen. »Ist er das?« fragte sie mich.
    »Ja, das ist er.«
    »Mein Gott…« Ich merkte, dass sie noch etwas sagen wollte, doch ihr fehlten die Worte.
    Die letzten Yards legten wir beide schweigend zurück und blieben vor der Grabplatte stehen.
    Erinnerungen drängten sich in mir hoch. Ich dachte an die fürchterlichen Dämonentrommler, durch deren akustische Folter Shao gestorben war.
    Sie hatten durch ihren höllischen Rhythmus der Trommeln versucht, Susanoo, einen mörderischen Dämon, aus der Verbannung zu holen.
    Das konnte ihnen nur gelingen, wenn Shao, die letzte in der Ahnenreihe der Sonnengöttin, vernichtet war.
    Es war geschehen, aber Susanoo hatte nicht so zuschlagen können, wie ich es befürchtete. Da musste irgendetwas schief gelaufen sein.
    Vielleicht erfuhr ich auch, was es gewesen war.
    Sheila hatte sich von mir gelöst und stand mir gegenüber. Zwischen uns befand sich die flache steinerne Grabplatte, auf die Bills Frau starrte.
    Sehr leise begann sie zu sprechen. »Wenn ich mir vorstelle, dass Shao hier einmal gelegen hat, könnte ich schreien.«
    »Es war damals auch so neblig.«
    »Und Suko hat seine Totenfeier gehalten.«
    »Er ging nur einer alten Tradition nach.«
    Sheila nickte. Mit dieser Geste schien sie sich selbst bestätigen zu wollen und meinte: »Ich kann Suko verstehen, dass er so gehandelt hat. Mir wäre es ähnlich ergangen.«
    Ich verschwieg mir eine Antwort. Jeder hing seinen Gedanken nach, und für uns begann die lange Zeit des Wartens. Das Geschehen diktierten nicht wir. Andere Kräfte waren dafür verantwortlich. Möglicherweise welche aus dem Jenseits.
    Vielleicht beobachteten sie uns schon. Ich jedenfalls spürte nichts davon, auch mein Kreuz gab keine Reaktion von sich.
    Sheila fröstelte. Ich erkannte es daran, wie sie die Schultern in die Höhe zog. Sie konnte auch nicht mehr stehenbleiben und begann mit einer Wanderung auf der Hügelkuppe.
    Den Grabstein umschritt sie, passierte mich einige Male, blieb dann am Rand der Kuppe stehen, starrte für eine Weile in den fließenden, wallenden Dunst und sagte plötzlich: »John, ich glaube, heute Nacht wird sich einiges entscheiden.«
    Ich stand hinter ihr und sprach gegen ihren Rücken. »Deshalb sind wir hier.«
    »Rechnest du damit, Suko zu sehen? Wenn ja, müsstest du auch für ihn eine Totenfeier abhalten.« Sie drehte sich beim letzten Wort um, weil sie mich ansehen wollte.
    Ich hob die Schultern. »Der Gedanke daran gefällt mir nicht, wie du dir vorstellen kannst.«
    »Das glaube ich, aber du darfst ihn auch nicht zu weit wegschieben, John.«
    »Das versuche ich trotzdem.«
    »Und wenn alles ein Bluff war?«
    Ich lachte auf. »Was sollte die andere Seite davon haben, uns mitten in der Nacht herzulocken, nur um uns zu bluffen? Nein, Sheila, hier spielen Dinge eine Rolle, die wir noch nicht überblicken können. Möglicherweise ist alles von der Sonnengöttin in die Wege geleitet worden.«
    »Ist Amaterasu nicht zu schwach?«
    »Man weiß es nicht, Sheila. Wir können über sie nichts sagen und müssen zunächst abwarten.«
    »Ja, vielleicht.«
    Wieder vergingen Minuten des Schweigens, aber ich fühlte, dass sich etwas verändert hatte.
    Noch sah ich nichts. Derjenige oder diejenigen, die sich näherten, hielten sich
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