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0445 - Die Macht des Träumers

0445 - Die Macht des Träumers

Titel: 0445 - Die Macht des Träumers
Autoren: Werner Kurt Giesa
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hier seinen Platz ebenso wie sein Dhyarra-Kristall, wenn er sich daheim aufhielt und weder das eine noch das andere benötigte, und ebenso lag hier das Schwert Gwaiyur, die Zauberwaffe, die Zamorra aber nur noch in den seltensten Fällen benutzte, nachdem sein Freund, der Halbdruide und Scotland-Yard-Inspektor Kerr, damit geköpft worden war.
    Zamorra hatte das Amulett auf seinen Arbeitstisch gelegt. Verblüfft starrte er es an. Nicole schüttelte den Kopf. Sie lehnte sich leicht an Zamorra; er spürte die Wärme ihrer Haut, aber er spürte auch, daß ihr ebensowenig gefiel wie ihm, was er sah.
    Das Amulett schien sich selbsttätig aktiviert zu haben.
    Der stilisierte Drudenfuß im Zentrum der handtellergroßen silbrigen Scheibe zeigte ein Bild.
    Manchmal arbeitete er wie ein winziger Fernsehschirm. Dann nämlich, wenn Zamorra einen konzentrierten Blick in die Vergangenheit warf, um Spuren zu verfolgen. Aber dazu mußte er sich in Halbtrance versétzen und das Amulett mit seinem Geist so steuern, daß seine magische Kraft schrittweise rückwärts durch die Zeit glitt und ihm die Bilder der Vergangenheit wie in einem beliebig vor- oder zurückzuspulenden Film zeigte, der sich auch anhalten ließ.
    Aber diesmal hatte Zamorra nichts dergleichen getan. Das Amulett übertrug von sich aus ein Bild.
    Es war seltsam verschwommen.
    Auch das war ungewöhnlich. Normalerweise war das Bild zwar winzig, aber gestochen scharf.
    Langsam streckte Nicole die Hand aus. Ihre Finger berührten Merlins Stern. Aber das Amulett hatte sich weder erwärmt, noch vibrierte es fast unmerklich. Beides wäre ein Zeichen für schwarzmagische Kräfte in unmittelbarer Nähe gewesen. Aber andererseits: woher sollten diese Energien auch kommen? Das Château war doch abgeschirmt!
    »Was, zum Teufel, ist das für eine Szene?« murmelte Zamorra. »Und warum kommt sie nicht klar durch?« Er ließ das Amulett auf der Tischplatte liegen, berührte aber mit zwei Fingern zwei bestimmte der bislang unentzifferbaren Hieroglyphen, die sich auf dem äußeren Zierband der Scheibe befanden. Er wollte die erhaben gearbeiteten Zeichen verschieben, um damit eine gezielte magische Aktion auszulösen; die Hieroglyphen würden danach von selbst wieder an ihre ursprüngliche Position zurückkehren. Warum sie sich nur dann bewegen ließen, wenn man etwas bewirken wollte, und sich nicht durch Zufallsberührungen verschoben, war eines der großen Geheimnisse von Merlins Stern. Zamorra wollte das Bild, das das Amulett zeigte, »scharfstellen«.
    Aber zu seiner Verblüffung bewegten die Hieroglyphen sich nicht.
    Er versuchte es anders; mit einem starken, konzentrierten Gedankenbefehl, dessen Mühe er sich eigentlich hatte ersparen wollen.
    Aber der gewünschte Effekt stellte sich auch diesmal nicht ein. Statt dessen verlosch das Bild abrupt, und in Zamorras Kopf klang eine lautlose Stimme auf: Daran solltest du nicht rühren!
    Selten hatte ihn jemand dermaßen verblüfft gesehen!
    ***
    Monica Peters sah aus dem Fenster der Blockhütte. Sie beteiligte sich nicht an dem Spaziergang, den ihre eineiige Zwillingsschwester mit dem Mann ihrer gemeinsamen Träume machte. Trotz aller Gemeinsamkeiten war ihr nicht so recht danach. Die hübsche junge Frau mit dem schulterlangen, hellblonden Haar und dem puppenhaften Gesicht sah den beiden nach, sah die kurzen Mondschatten, die sie warfen, und wandte sich dann ab. Sie glaubte ein Geräusch im Haus gehört zu haben. War Julian wieder erwacht?
    Sie berührte seine Gedankenwelt nicht, um es festzustellen. Das hatten Uschi und sie nie getan. So wie sie darauf verzichteten, Robs Bewußtsein auszuloten - abgesehen davon, daß er sich sofort abschirmen würde, wenn er es bemerkte -, waren für sie auch Julians Gedanken tabu. Sie hatten sie nie berührt, in all den Monaten nicht, und sie wußten nicht einmal, ob auch er über die Möglichkeit verfügte, sich abzuschirmen und seine Gedanken nicht aus sich hinaus zu lassen. Aber es war anzunehmen, daß er es konnte.
    Zum einen verzichteten sie darauf, weil es zu ihrem Ehrenkodex gehörte, die private Gedankensphäre anderer Menschen nicht ohne zwingenden Grund anzutasten. Zum anderen spürten sie beide eine gewisse Scheu davor, ausgerechnet Julian, ihrer aller Kind, zu kontakten…
    Monica trat an Julians Zimmertür. Leise öffnete sie. Sie rechnete fest damit, daß er erwacht war und sie, im Hott aufgerichtet, ansehen würde. Er würde wissen, daß sie kam; sie konnte auf ein Anklopfen verzichten,
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