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0439 - Todesspiel in Samt und Seide

0439 - Todesspiel in Samt und Seide

Titel: 0439 - Todesspiel in Samt und Seide
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den Kofferraum werfen?« fragte ich.
    »Nein«, sagte sie. »Ich bin nicht bereit, jede Überspanntheit von Ihnen zu akzeptieren.«
    »Also gut«, sagte ich, »steigen wir ein.«
    Ich bemerkte, daß sie die Handtasche auf dem Schoß liegen ließ, griffbereit. Sie startete und kuppelte. Ich leierte das Fenster herunter. Es war eine milde, angenehme Nacht — angenehm, was das Wetter betraf.
    »Wissen Sie, wo das FBI-Headquarter liegt?« fragte ich.
    »Ich bin in New York zu Hause«, sagte sie kurz.
    Wir fuhren einige Minuten schweigend. »Das ist der falsche Weg«, meinte ich.
    »Für mich ist es der richtige«, sagte sie. Wir waren in eine schmale, ziemlich dunkle Straße eingebogen. Die Bürgersteige waren fast menschenleer, denn auf beiden Seiten der Straße befanden sich nahezu ausschließlich Bürogebäude.
    Es kam, was ich erwartet hatte. Das Mädchen bremste so jäh, daß ich nach vorn geschleudert wurde, mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe.
    Miß Gwynn hatte es leichter, den Ruck abzufangen. Sie konnte sich mit den Händen am Lenkrad festhalten. Allerdings benutzte sie dazu nur eine Hand. Mit der anderen riß sie blitzschnell die Handtasche auf und griff hinein.
    Sie war wirklich sehr rasch, aber nicht rasch genug. Ich fing die Hand ab, noch ehe es ihr gelungen war, die Pistole aus der Handtasche zu reißen. Es war kein Problem, ihr die Waffe abzunehmen. Sie sackte in sich zusammen, schluchzend. Den Kopf und die Arme legte sie auf das Lenkrad. Sie war am Ende.
    Ich drehte die Pistole vorsichtig hin und her. Wie erwartet war es eine 45er. Ich roch daran und wußte Bescheid.
    Ich schob die Pistole in die Handtasche zurück, sehr behutsam, um keine Fingerabdrücke zu zerstören. Dann nahm ich die Handtasche an mich.
    Das Mädchen schluchzte noch immer. Es war nicht das Weinen eines Menschen, der Scham und Reue empfindet. Es war ein Schluchzen, das sich auf einer Gefühlsmischung aus Zorn, Enttäuschung und Angst auf baute.
    Ich wartete. Nach drei Minuten beruhigte sie sich. Sie hob den Kopf. Von ihrem Make-up war nicht viel übriggeblieben. Sie starrte geradeaus. »Ja, ich habe es getan«, sagte sie. »Soviel Geld wird einem nur einmal im Leben geboten. Von Hank hätte ich nur einen Bruchteil der Millionen bekommen. Ich wollte nach Mexiko, ich wollte ein anderes Leben beginnen, ich wollte den Spülwassergeruch aus dem Schnellrestaurant vergessen, das ist alles.«
    »Wieviel haben Sie im Kofferraum?«
    »Ich weiß es nicht, ich hab’ mir nicht die Mühe gemacht, es zu zählen. Ich nehme an, es sind die vier Millionen. Hank hatte den Auftrag, das Geld aufzubewahren. Er dachte, in meiner Wohnung sei dafür der sicherste Platz. Das ist alles.«
    »Eines verstehe ich nicht. Wie kommt es, daß das eine Paket in der Küche zurückblieb?« fragte ich.
    »Ein Zufall, nichts weiter!« meinte sie. »Die anderen Pakete hatte ich bereits im Wagen verstaut. Mehr brachte ich im Kofferraum nicht unter. Deshalb blieb das eine Paket in der Küche zurück.«
    »War Hank an dem Bankraub beteiligt?«
    »Ja, ich glaube.«
    »Wer noch?«
    »Ein Mann, den sie Babyfeet nennen, sowie Mercer und Biggers.«
    »Wo ist Biggers jetzt?«
    »Ich habe keine Ahnung.« Sie straffte sich. Sie hatte in einem Anfall von Verzweiflung gesprochen, in einem Augenblick physischer Schwäche. Diesen Punkt hatte sie jetzt überwunden. Sie blickte mich an. »Ich werde alles in Abrede stellen, hören Sie?« zischte sie. »Jedes Wort!«
    »Ich kann Sie nicht daran hindern«, sagte ich. »Steigen Sie aus, bitte!«
    »Warum?«
    »Es ist besser, wenn ich mich ans Steuer setze.«
    Schweigend tauschten wir die Plätze. Ich hatte befürchtet, daß sie den Versuch machen würde, wegzulaufen, aber ihr war wohl bewußt, daß sie im Moment einfach nicht die Kraft hatte, die für eine solche Aktion notwendige Energie aufzubringen.
    Wir fuhren los. Die Handtasche klemmte links von mir zwischen Tür und Sitz. Ich fuhr vorsichtig, denn ich wollte vermeiden, daß bei irgendwelchen Mätzchen, die das Mädchen versuchen konnte, ein Unfall passierte.
    »Das Bild ist' ziemlich klar«, sagte ich. »Razer war die treibende Kraft. Er organisierte den Bankraub. Vier bewährte Leute führten ihn aus. Das Geld sollte zunächst auf Eis gelegt werden. Hank Fryland war der Mann, der damit betraut wurde. Mit dem Geld im Rücken fühlte er sich stärker denn je. Er entschloß sich, die Leitung des Teams durch einen Coup an sich zu reißen. Er erschoß Razer. Es kam zu einem allgemeinen
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