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043 - Der Mann von Marokko

043 - Der Mann von Marokko

Titel: 043 - Der Mann von Marokko
Autoren: Edgar Wallace
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    Er streifte den Feilab ab, löste das schmutzige Hemd ein wenig, zog einen kleinen, wasserdichten Beutel hervor und ging zu dem naheliegenden kleinen Bach. Er ging als alter, häßlicher Mann und kam als Jim Morlake wieder zurück.
    »Ich glaube, ich träume«, sagte sie leise. »Und wenn ich aufwache -« Sie zitterte.
    »Du warst noch nie so wach wie in diesem Augenblick. Wir sind zwei Meilen von der Küste entfernt, und wenn Sadi nicht sehr dringliche Befehle gegeben hat, folgen seine Leute uns nicht bis hierher.«
    Jims Vermutung war richtig. Sie sahen nichts mehr von den Verfolgern und erreichten das kleine Gebäude. Es stand unter dem Befehl eines spanischen Offiziers.
    »Von hier aus müssen wir nun an der Küste entlangreiten und versuchen durchzukommen«, sagte Jim, nachdem er mit dem Offizier gesprochen hatte. »Die Spanier können uns nicht begleiten, denn die Franzosen sind eifersüchtig darauf bedacht, daß sie die Grenze nicht überschreiten. Aber ich glaube nicht, daß wir noch einmal belästigt werden.«
    Am Abend schlugen sie an der Küste ein Lager auf und sahen die Lichter von Tanger beinahe vor sich. Jim hatte von dem spanischen Posten Tücher und Decken geliehen und breitete sie unter den Ruinen eines alten maurischen Wachthauses aus. Dann zog er sich zurück, um Wache zu halten.
    Als Joan sich zum Schlafen niedergelegt hatte, dachte sie darüber nach, ob die Trauung wohl gesetzlich und bindend gewesen war, und sie hoffte mit aller Inbrunst, daß es so sein möchte.

55
    Die Leute brachten Sadi Hafis zu Hamons Haus auf dem Hügel zurück. Die Reise war lang für einen Mann, der eine Kugel in der Schulter hatte.
    »Allah! Dieses Schwein!« stöhnte der Maure. »Wenn sich die Pistole nicht in den Falten meines Mantels verfangen hätte, würde der Kerl jetzt in der Hölle sein!«
    Hamon schickte nach Frauen, die die Wunde untersuchten und verbanden.
    »Es ist nichts«, sagte Sadi rauh. »Als er mich das letztemal anschoß, war die Sache schlimmer.«
    »Sprechen Sie von dem Bettler?« fragte Hamon erstaunt.
    »Natürlich!«
    »Ich hätte nie gedacht, daß er Ihnen etwas anhaben könnte. Er ist doch alt und schwach. Und Sie haben mir auch nicht gesagt, daß Sie ihn kannten.«
    »Ich wußte es selbst bis zum letzten Augenblick nicht, aber dieser Morlake ist ein alter Feind von mir.«
    Hamon zuckte zusammen.
    »Sie sprachen doch eben noch von dem Bettler«, erwiderte er und runzelte die Stirn. »Ich bin so aufgeregt heute nacht - Sie meinten doch den alten Bettler Abdul?«
    »Ich spreche von Morlake«, stieß Sadi zwischen den Zähnen hervor, »den Sie heute morgen so voreilig mit einer Frau verheirateten!«
    Hamon starrte ihn fassungslos an.
    »Das verstehe ich nicht. Der Bettler war Morlake? Aber - er war doch ein alter Mann!«
    »Wenn ich nicht die Augen eines Mondkalbes gehabt hätte«, entgegnete Sadi bitter, »dann hätte ich gleich sehen müssen, daß es Morlake war. Schon früher bevorzugte er diese Verkleidung, als er hier noch im diplomatischen Dienst tätig war.«
    Hamon ließ sich verstört auf dem Diwan nieder.
    »Der Bettler war also Morlake - und ich habe die beiden verheiratet!«
    Er brach in ein hysterisches Lachen aus, aber allmählich beruhigte er sich wieder.
    »Er haßt Sie!« sagte Sadi nach einem langen Schweigen. »Was steckt eigentlich hinter der ganzen Geschichte?«
    »Er will ein Schriftstück haben, das in meinem Besitz ist - das ist alles.«
    Das aufgeregte, rote Gesicht Hamons und der nervöse Ton seiner Stimme weckten Sadis Verdacht. Ob Hamon getrunken hatte?
    »Sie denken, ich bin betrunken«, meinte Hamon, als ob er Sadis Gedanken gelesen hätte. »Aber das stimmt nicht.«
    Plötzlich ging er aus dem Zimmer und ließ Sadi allein. Der Scherif dachte über alle Möglichkeiten nach. Hamon mußte verschwinden, entschied er kaltblütig. Wenn es wahr wäre, daß ein englischer Detektiv in Tanger Nachforschungen nach ihm anstellte, dann sollte er auch seine Beute erhalten. Nur auf diese Weise konnte sich Sadi rächen. Hamon war ja auch keine große Einnahmequelle mehr für ihn.
    Kurz nach Sonnenaufgang stand Sadi auf, um seinen Gastgeber aufzusuchen. Hamon hielt sich in dem Zimmer auf, das Joan innegehabt hatte. Er schlief, sein Kopf ruhte über den gefalteten Armen auf der Tischplatte. Neben ihm lag eine offene Brieftasche mit vielen Papieren. Sadi untersuchte sie leise. Er fand ein halbes Dutzend noch nicht eingelöster Schecks und ein viermal zusammengefaltetes Blatt.
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