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043 - Der Mann von Marokko

043 - Der Mann von Marokko

Titel: 043 - Der Mann von Marokko
Autoren: Edgar Wallace
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Mitternacht hier rasten«, sagte Sadi. »Ich muß mein Ziel noch vor Tagesanbruch erreichen.«
    Sie lag wach, lauschte auf jedes Geräusch und beobachtete den Schatten der rauchenden Feuer. Allmählich verstummten die Stimmen, nur ab und zu wieherte noch ein Pferd. Sie schaute auf ihre Armbanduhr - es war neun. Noch drei Stunden blieben ihr zur Flucht.
    Sie zog den Vorhang des kleinen Zeltes beiseite, schaute hinaus und sah eine dunkle Gestalt. Vermutlich war es eine Wache. Auf dieser Seite konnte sie also nicht entkommen. Sie versuchte, den Zeltstoff an der Rückseite zu heben, aber er war mit Pflöcken in der Erde befestigt. Sie steckte ihre Hand durch, faßte den Zeltstock und bemühte sich, ihn mit aller Kraft herauszuziehen. Endlich gelang es ihr, und sie schlüpfte vorsichtig hinaus.
    Gerade vor ihr lagen undurchdringliche Dornbüsche. Sie kroch an der Außenseite des Zeltes herum. Ihr weißes Kleid mußte sie sofort verraten, wenn die Wache den Kopf wandte. Aber sie fand doch eine Öffnung im Unterholz und kroch hindurch. Als der Wächter das Krachen der Zweige hörte, drehte er sich um und rief einige arabische Worte.
    Nun sprang sie auf und lief vorwärts, so schnell sie konnte. Zuerst sah sie kaum auf Armlänge vor sich, rannte gegen einen Baum und fiel hin. Aber gleich darauf war sie wieder auf den Füßen. Der Mond ging eben auf, und sie sah, daß sie sich auf einer Ebene befand, die mit Sträuchern bestanden war. Doch auch ihre Verfolger konnten sie jetzt erkennen.
    Sofort war das ganze Lager in Aufruhr. Sie hörte Schreie und die aufgeregte Stimme Sadis, der selbst hinter ihr herritt. Sie wußte es, ohne sich umgesehen zu haben. Entsetzen trieb sie vorwärts, dennoch konnte sie nicht hoffen, zu entkommen. Immer näher kam er an sie heran, bis sie die Hufe des Pferdes dicht neben sich hörte. Der Reiter schnitt ihr den Weg ab.
    »Oh, meine kleine Rose«, sagte er höflich, »das ist nicht der Weg zum Glück.«
    Er streckte die Hand aus, packte sie am Mantel, sprang vom Pferd und nahm sie in die Arme.
    »Diese Nacht will ich leben! « rief er heiser.
    »Diese Nacht wirst du sterben!« erwiderte plötzlich eine helle, klare Stimme.
    Sadi wandte sich blitzschnell um und griff in die Falten seines Gewandes, als er den Bettler vor sich sah.
    Joan Carston starrte verstört auf das Gesicht des Alten, denn sie hatte eben Jim Morlakes Stimme gehört!

54
    Zwei Schüsse fielen zu gleicher Zeit. Sadi Hafis stürzte mit einem Schrei in die Knie und brach zusammen.
    »Schnell aufs Pferd!« sagte Jim und hob Joan in den Sattel.
    In der nächsten Sekunde hatte er sich hinter sie geschwungen. Das starke Tier holte weit aus, obwohl es doppelte Last zu tragen hatte. Jim schaute über die Schulter zurück und sah, daß Sadis Gefolgsleute anhielten, um ihrem gefallenen Häuptling zu helfen.
    »Zehn Minuten Vorsprung! Wenn wir Glück haben, entkommen wir ihnen!«
    Er überließ die Richtung dem Pferd, das die Gegend genau kannte und dessen Augen in der Dunkelheit etwaige Hindernisse erkennen konnten. Von den Verfolgern war noch nichts zu sehen, aber Jim gab sich keinen falschen Hoffnungen hin. Wenn Sadi Hafis noch imstande war, einen Befehl zu geben, würden seine Leute bald hinter ihnen her sein.
    Nachdem sie eine Stunde geritten waren, merkte Jim, daß das Pferd müde wurde. Er sprang ab und klopfte ihm die Mähne.
    »Hier an der Küste war früher ein Wachthaus«, sagte er. »Aber ich weiß nicht, ob uns eine maurische Wache freundlicher gesinnt ist als Sadi Hafis.«
    Sie schaute auf ihn nieder und versuchte, in den häßlichen Zügen eine Spur von dem Gesicht zu entdecken, das ihr so lieb und vertraut war.
    »Bist du es wirklich, Jim?«
    »Ja, natürlich!« erwiderte er lachend. »Ist meine Maske nicht gut? Es ist die alte Verkleidung, die ich früher immer trug. Wenn Sadi nur den Verstand eines Kaninchens gehabt hätte, würde er sich daran erinnert haben. Die Nase ist allerdings die größte Schwierigkeit, denn das Wachs wird in der Sonne warm und muß immer wieder nachmodelliert werden. Das andere ist dafür sehr einfach.«
    »Aber du hast ja keine Zähne«, sagte sie, als sie die schwarze Höhle in seinem Mund sah.
    »Doch, sie sind alle noch an ihrer Stelle! Eine Zahnbürste entfernt die Schwärze wieder.«
    Vor Tagesanbruch hielten sie in der Nähe eines Baches, sattelten das Pferd ab und gaben ihm zu trinken.
    »Ich fürchte, ich kann dir nichts zu essen anbieten«, sagte Jim. »Das einzige, was ich tun kann
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