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0422 - Der Werwolf-Jäger

0422 - Der Werwolf-Jäger

Titel: 0422 - Der Werwolf-Jäger
Autoren: Jason Dark
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diesem Augenblick, daß er alles verloren hatte.
    Er setzte auch nicht mehr die Peitsche ein, die Tiere liefen von allein weiter, und sie blieben an der Stelle stehen, wo sie ihren Lauf immer gestoppt hatten.
    Sie atmeten keuchend und schüttelten sich. Schnee stob aus ihrem Fell, und vor den aufgerissenen Mäulern standen die grauen Atemwolken.
    Michail Chirianow saß unbeweglich auf dem Bock des Schlittens, den Blick dorthin gerichtet, wo einmal seine Hütte gestanden hatte.
    Es kam ihm vor wie ein böser Traum, obwohl er zugab, daß er so etwas hatte erwarten müssen. Bei seiner Arbeit schlug die andere Seite eben grausam zurück.
    Aber weshalb so schnell?
    Die Hunde scharrten unruhig mit den Pfoten. Tiere besitzen einen besseren Instinkt als Menschen. Sie spüren, wo das Böse lauert, wo etwas anders ist, aber sie wagten nicht, sich in Bewegung zu setzen und näher an die Hütte heranzugehen.
    So verging die Zeit. Michail nahm jede Einzelheit in sich auf. Er sah nicht nur die schwarzen Trümmer, er sah auch Panja, die Frau, die ihm zur Seite gestanden hatte.
    Sie lag da und rührte sich nicht. Sie war auch nicht erfroren, jemand hatte sie grausam getötet.
    Die zerfetzte Kleidung, die großen Wunden, das Blut – zusammen war es ein Bild des Horrors.
    Er bewegte die Lippen, sprach ihren Namen aus, war aber kaum zu hören, denn die Stimme blieb tief in seinem Hals stecken. Er spürte das Würgen, die kalte beklemmende Angst und gleichzeitig auch das Feuer der Wut oder des Zorns, das in seinem Innern hochstieg. Wer immer das getan haben mochte, er würde ihn jagen.
    Erbarmungslos…
    In dieser Wildnis gab es kein Gesetz. Da zählte noch der alte Bibelvers. Auge um Auge – Zahn um Zahn. So wie es vor über hundert Jahren im Wilden Westen gewesen war.
    Michail Chirianow stieg vom Bock des Schlittens. Seine Bewegungen glichen denen eines Menschen, der aus einem langen Schlaf erwacht war und nicht so rasch auf die Beine kommen konnte. Er starrte auf die Trümmer und hatte das Gefühl, die schwarzverkohlten Reste durch einen tanzenden Schleier zu sehen.
    Unter seinen Fellstiefeln knirschte der Schnee. Er drückte seine Spuren hinein, die Tiere blieben zurück. Die Haare des Bärenfellmantels zitterten im leichten Wind. Die Sonne war schon wieder tiefer gesunken, bald würde es dämmern.
    Es war für ihn schlimm, daß er Panja nicht einmal ein Grab schaufeln konnte. Die Erde war zu hart gefroren. Er hätte sie schon aufsprengen müssen, dazu aber fehlten ihm die Mittel.
    Neben der Toten blieb er stehen. Er schaute sie an. Das harte, bärtige Gesicht des Mannes zuckte. Tränen rannen aus den Augenwinkeln. In der grausamen Kälte froren sie zu Perlen.
    Der Mann bückte sich. Einen seiner Fellhandschuhe zog er aus, weil er Panjas Wange mit den Fingerspitzen berühren wollte. Er fühlte kein Leben mehr. Auf den Blutkrusten lag eine dünne Eisschicht, aber er mußte sich die Verletzungen sehr genau ansehen, weil er Gewißheit haben wollte.
    Michail war erfahren genug. Eigentlich hatte er schon Bescheid gewußt, als er auf dem Bock des Schlittens saß. Jetzt hatte er sich endgültig vergewissert.
    Panja war von einer bestimmten Bestie ermordet worden. Von einem Werwolf!
    Und er hatte sie nicht nur gebissen, sondern getötet. Sie konnte also nicht mehr zur Wölfin werden und den Mond anheulen.
    Also hatte der Werwolf zurückgeschlagen. Er wußte, daß man ihm auf den Fersen war, und hatte sich fürchterlich gerächt.
    Michail Chirianow richtete sich auf. Sein Gesicht unter der Fellmütze glich einer aus Granit gehauenen Maske. Die Augen bildeten nur noch Schlitze, er bewegte seine Hände, blickte über die weite Schneelandschaft und tat seinen Schwur.
    »Ich töte dich, Bestie! Ich warte auf dich! Du wirst zurückkehren, und dann bin ich schneller…« Er flüsterte diesen Satz zweimal.
    Beim drittenmal hob er die Stimme an und schrie den finsteren Schwur in die Weite der Landschaft hinein…
    ***
    Michail Chirianow hatte alles so liegenlassen und sich im nahen Wald versteckt. Der hatte ihm die Nahrung gegeben und das Holz fürs Feuer. Der Wald garantierte das Überleben des Menschen.
    Und der Wald sollte den Tod bringen.
    Michail war ein geduldiger Mensch. Manchmal, wenn er auf Jagd gewesen war, hatte er stundenlang warten müssen. Der Wald hatte ihm gehört, und er hatte sich einen Hochsitz gebaut. Nicht sehr weit von der Hütte entfernt. Mehr ein kleines Baumhaus, dessen Wände ihn gegen den oft schneidenden Wind
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