0416 - Das Duell der Halbstarken
Tages fuhr ich ihn auch nach Hause. Der echte Ted Ragh besaß ein Zimmer im Souterrain des Hauses. Ich bewohnte es für diese Zeit.
Wo immer James Rovelt hinging, Büro, Börse, Restaurant — immer trug er die Fünfzigtausend-Dollar-Tasche. Wenn er im Wagen saß, stand sie immer zwischen seinen Füßen.
Der Börsenmakler arbeitete auch während der Fahrt. Entweder diktierte er seinem Sekretär, oder er sprudelte einen Haufen Anordnungen hervor, die hauptsächlich aus Zahlen bestanden und die Brack auf einem Notizblock hastig mitschrieb.
Noch öfter telefonierte Rovelt vom Wagen aus. Der Cadillac war mit einem Telefon ausgerüstet, von dem aus man über eine Zwischenzentrale jeden Anschluß in den Staaten erreichen konnte. Ebenso war der Börsenmakler auch während der Fahrt für alle Anrufe erreichbar. Es kam nicht selten vor, daß das Telefon während der kurzen Fahrt von der Villa zum Büro ein halbes dutzendmal schrillte, wenn Rovelt die wichtigsten Vorkurse durchgegeben wurden.
Kein Wunder also, daß ich auf das Läuten dieses Telefons kaum noch achtete — auch nicht am Morgen des dritten Tages meiner Chauffeurtätigkeit. Ich sah zwar im Rückspiegel, wie Rovelt den Hörer abnahm, aber dann verlangte der Verkehr meine volle Aufmerksamkeit. Ich hörte, daß Rovelt etwas mit »ja« beantwortete, daß er dann lange schwieg und schließlich noch einmal »ja« sagte. Dann legte er den Hörer auf. Er beugte sich leicht vor und berührte meine Schulter.
»Das war er«, sagte er. »Wir sollen über die Brooklyn Bridge nach Brooklyn kutschieren. Über die Fulton Street und die Flatbush Avenue sollen wir in Richtung Botanic Gardens fahren.«
Unwillkürlich stellte ich den Fuß auf die Bremse. Der Cadillac stoppte ziemlich hart ab. »Das Telefon! Verdammt, daran habe ich nicht gedacht.«
»Die Nummer finden Sie in jedem Telefonbuch«, sagte der Börsenmakler mit einem Unterton von Ironie.
Ich drehte den Kopf über die Schulter. »Was wollen Sie tun, Mr. Rovelt?«
»Ich denke, das sollten Sie wissen.«
»Ich weiß es. Wenn wir Erfolg haben, wollen, müssen wir seine Befehle befolgen. -Trotzdem warne ich Sie. Es kann gefährlich werden.«
Rovelt brauchte nur eine Sekunde für seine Entscheidung. »Lassen wir das Spiel laufen. Abbrechen können wir es immer noch. Fahren Sie zur Brooklyn Bridge!«
»In Ordnung.« Ich gab wieder Gas und ordnete mich nach links ein.
John Brack, der Sekretär, saß wie gewöhnlich auf dem Beifahrersitz. Als ich einmal den Kopf knapp zur Seite drehte, traf mein Blick sein Gesicht. Die Hautfarbe des Mannes schien mir leicht ins Grünliche verfärbt.
Wir erreichten die Auffahrt zur Brooklyn Bridge. Als ich den Cadillac mitten im Verkehrsstrom auf der Brücke anhielt, schrillte das Telefon wieder.
Rovelt zögerte.
»Melden Sie sich!« sagte ich über die Schulter. »Wenn es nicht der Junge von vorhin ist, beenden Sie das Gespräch möglichst rasch.«
Der Börsenmakler hob ab. Ich beobachtete sein Gesicht im Rückspiegel. Er schob das Kinn vor. Daran erkannte ich, daß der Erpresser zum zweitenmal anrief.
»Ja!« sagte Rovelt. »Ja!« Dann deckte er die Hand über die Sprechmuschel, beugte sich vor und flüsterte:
»Er verlangt, daß ich nicht wieder auflege. Er sagt, auf diese Weise verhindert er am besten, daß ich die Polizei anrufe.«
»Okay!« Im gleichen Augenblick hörte ich trotz des Motorenlärms das verzerrte Gequäke einer Stimme aus dem Hörer. Der Anrufer mußte mächtig brüllen, wenn ich ihn trotz der zwei Yard Entfernung zwischen dem Hörer und meinen Ohren vernehmen konnte. Rovelt nahm den Hörer hastig ans Ohr. Er ließ die andere Hand von der Sprechmuschel gleiten, nickte und antwortete wieder mit einem »Ja!«
Er gab mir durch Zeichen zu verstehen, daß der Anrufer ihm verboten habe, die Sprechmuschel abzudecken.
Ich hatte die Brooklyn Bridge hinter mich gebracht. Der Cadillac rollte jetzt über die Fulton Street.
Rovelt hielt den Hörer am Ohr, sagte aber nichts. Ich nahm eine Hand vom Steuer und machte eine fragende Geste. Er schüttelte den Kopf. Er hatte nichts Neues zu melden.
Ich winkte dem Sekretär, näher an mich heranzurücken. Brack tat es, aber so zögernd, daß ich ihn mit der Hand bei der Jacke ergriff und ihn so nahe heranzog, daß er mich verstehen konnte, auch wenn ich flüsterte.
»Geben Sie Mr. Rovelt den Notizblock und einen Kugelschreiber. Er soll aufschreiben, was er hört. — Schreiben Sie folgenden Satz auf den Block: ,Ich breche
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