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0403 - Das Auge des Jägers

0403 - Das Auge des Jägers

Titel: 0403 - Das Auge des Jägers
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Gedankenwirbeln.
    Er kannte nicht einmal seinen Namen.
    Der Mann mit den roten Augen kicherte wieder. Plötzlich interessierten die Schatten ihn doch wieder. Er fragte sich, ob sie vernichtet werden würden oder nicht. Er hätte sie warnen können. Oder die anderen, die von den Schatten gejagt wurden. Aber warum sollte er das tun? So war es doch viel spannender.
    ***
    Etwas stimmte nicht. Merlin konnte es fühlen. Diesmal lag es aber nicht an dem blauhäutigen Schmetterlingsmädchen. Merlin strich sanft über ihr lang wallendes violettes Haar und berührte das hauchdünne Gespinst ihrer bunt schillernden Flügel. Sie wechselten ständig ihre Farbe und die verschiedenen Farbmuster. Türkisfarbene Augen leuchteten Merlin glücklich an.
    Und doch war es ein Glück, das getrübt schien. Irgend etwas bedrückte Morgana.
    Aber Merlin fühlte noch etwas anderes.
    Er sah sich um.
    Das Schilf war gewachsen und hatte ein halb durchsichtiges Gitterdach über den Liebenden gebildet. Eigentlich war so etwas normal. Alles, was anderswo unmöglich erschien, gehörte auf den Wunderwelten zum Standard. Merlin hatte seit seiner Ankunft hier schon die verblüffendsten Phänomene erlebt.
    Er sah durch das Gitterwerk zwei Vögel, die über ihnen kreisten. Aber warum sollten sie das nicht tun? Vielleicht suchten sie Beute. Mäuse, Frösche, Insekten…
    Er betastete einen der Schilfhalme. Er fühlte sich völlig normal an. Keine schneidende scharfe Kante, keinen Hinweis auf ein Verschlingen. Gut, nicht alle hier vorherrschenden Phänomene waren ungefährlich. Das hatte Merlin schon am eigenen Leib erfahren müssen. Aber das hier war harmlos. Die Halme boten Merlin und Morgana nur Schatten, mehr nicht.
    Ihr nackter, schöner Körper glänzte. Sie richtete sich jetzt halb auf, ging neben Merlin in die Hocke.
    »Es war schön«, sagte sie. »Schade, daß es nicht auf Dauer so bleiben kann. Ich glaube, daß ich dich lieben könnte.«
    Er legte den Kopf schräg. »Lieben könnte? Was soll das heißen?«
    »Es ist eine Verliebtheit. Es ist das Verlangen nach dir. Aber wir können nicht beieinander bleiben, jedenfalls nicht auf Dauer.«
    »Aber weshalb nicht?« fragte er bestürzt.
    Sie berührte seine Lippen mit einem Finger. »Wir sind zu verschieden voneinander«, sagte sie leise.
    »Warum? Weil du Flügel besitzt und ich nicht? Das ist doch Unsinn! Es bedeutet nichts. Wir gehören zusammen, Morgana. Wir haben uns gefunden. Wir…«
    Sie drückte leicht zu, verschloss ihm den Mund.
    »Das ist es nicht. Du bist Merlin. Du bist der mächtige Magier. Du mußt zurück zur Erde, nach Caermardhin.«
    »Etwas, wovon ich absolut nichts weiß«, murmelte er kopfschüttelnd.
    »Aber ich weiß es. Glaube es mir. Deine Welt ist eine andere. Du bist ein Magier, ein Wächter über die Welt. Ich dagegen… ich gehöre in eine andere Welt. Ich wandele in der Zeit, während du durch den Raum gehst. Für mich bedeutet eine Epoche so viel wie jede andere. Ich kann durch die Zeit dorthin gehen, wo ich gebraucht werde.«
    »Dann geh zu mir«, verlangte er.
    »Ich kann es nicht. Momentan werde ich hier gebraucht. Ich habe ein paar technische Einrichtungen der Meeghs zerstören können. Ich bin… gewissermaßen eine Agentin in eigenem Auftrag.«
    »Eine Agentin? Was soll das bedeuten?«
    »Eigentlich müßtest du mich kennen. Eigentlich müßtest du von meiner Herkunft wissen, von meiner Abstammung. Aber deine Erinnerung ist verschüttet, deine Bewußtseinsaura verändert. Ich werde es dir erklären müssen. Es geschah vor vielen Jahrtausenden, Jahrhunderttausenden, vor einer Zeit, die sich nicht mehr messen läßt, weil es damals keine Maßstäbe gab. Ich…«
    Doch Merlin hörte ihr plötzlich nicht mehr zu.
    Er sah durch das Gitterwerk der Schilfhalme eine schwarze Wolke. Sie glitt heran. Ein kaum merkliches, ultrahelles Singen lag in der Luft. Das Singen des Antriebs eines unbegreiflichen Flugkörpers…
    Merlin sprang auf.
    »Meeghs!« stieß er hervor. »Wir müssen hier weg!«
    Sie starrte ihn fassungslos an. Dann sah sie in die Richtung, die sein ausgestreckter Arm ihr wies, und ihre Haltung versteifte sich.
    Ein schriller Pfiff rief das Einhorn.
    Doch es kam nicht heran. Merlin versuchte die Schilfhalme zu durchdringen. Diesmal wichen sie nicht. Sie bildeten das Gitterwerk eines unentrinnbaren Gefängnisses.
    Plötzlich wusste er auch, was ihn an den Vögeln am Himmel irritiert hatte. Sie zogen stur geometrisch exakte Kreise. Immer wieder dieselbe Bahn.
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