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04 - Spuren der Vergangenheit

04 - Spuren der Vergangenheit

Titel: 04 - Spuren der Vergangenheit
Autoren: Manfred Weinland
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Kreatur gestellt hatte. Plötzlich erinnerte er sich an etwas und kehrte noch einmal in das Dickicht zurück.
    Als er wieder hervorkam, hielt er seine dort zurückgelassene Kriegskeule in der Hand und hielt die Spitze Oxlaj entgegen, damit er das schleimige Sekret sehen konnte, das daran klebte. Es stammte von den Wunden auf dem Körper des Kadavers. Die Keule hatte die offenbar natürliche Panzerung durchbrochen. Ts’onot erinnerte sich, dass bereits der erste gegen den Schädel geführte Schlag die Kreatur zu Fall gebracht hatte.
    »Das Blut des Ungetüms ist fast durchsichtig«, sagte er. »Vielleicht sind noch andere seiner Art in der Nähe. Wir sollten vorsichtig –«
    Oxlajs Geste brachte ihn zum Schweigen. Der Ausdruck, mit dem er seinen Schüler musterte, blieb nicht ohne Wirkung. Ts’onot fühlte sich wie jemand, der eines Vergehens bezichtigt wurde. »War es falsch, es zu töten?«, fragte er rau.
    Oxlajs Blick ruhte noch eine Weile auf ihm, dann senkte er sich zu dem Toten hinab. »Das wird sich zeigen.« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Wir müssen deinen Vater verständigen. Möglich, dass deine Tat …« Er brachte den Satz nicht zu Ende, sondern bückte sich plötzlich, überwand seine Scheu und zerrte die linke Hand der Kreatur unter deren Körper hervor. »Habe ich doch richtig gesehen. Da!« Er deutete auf das Handgelenk des Geschöpfs.
    Ts’onot beugte sich vor und sein Herz begann wie in höchster Ekstase zu hämmern. »Es sieht aus wie ein Schmuckreif!«
    Das Kleinod war aus drei Ringen zusammengefügt, in der Mitte jadefarben und an beiden Seiten matt silbern. Alle drei Ringe schienen aus mehreren ineinander verschachtelten, kunstvoll ziselierten Teilstücken zu bestehen. Auffällig waren mehrere verschiedenförmige Kerben an den beiden äußeren Ringen, während der mittlere nur eine in Form einer Speerspitze aufwies.
    Noch während sie gemeinsam auf den Reif starrten, kam plötzlich Bewegung in das kunstvoll verzierte Schmuckstück. Die drei Ringe schoben sich ineinander und schufen eine Lücke in dem zuvor massiv scheinenden Reif, sodass er vom Handgelenk seines toten Besitzers glitt und neben ihm im Gras landete.
    Einige Sekunden starrten sie darauf, dann neigte sich der Priester nach vorn und streckte die Hand nach dem Halb-Reif aus.
    »Vorsicht!«, warnte Ts’onot.
    Doch Oxlaj wusste selbst, dass er vorsichtig sein musste. Nur ganz leicht legte er die Spitze seines Zeigefingers darauf. Die Berührung blieb ohne Folgen, worauf Oxlaj den Finger fester auf das fremdartige Material legte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Ts’onot besorgt.
    » Siehst du etwas?«, stellte Oxlaj eine Gegenfrage. Es war klar, dass er die besondere Gabe seines Schülers meinte.
    Ts’onot verneinte.
    »Dann scheint es harmlos zu sein.« Oxlaj nahm den halben Reif zwischen Zeigefinger und Daumen der Rechten und hob ihn vom Boden hoch. »Schwer«, murmelte er. »Viel schwerer, als man annehmen sollte.« Er hatte Mühe, ihn nur mit zwei Fingern zu halten, und wollte mit der linken Hand darunter greifen.
    In diesem Moment ging ein Ruck durch das Kleinod. Als würde sich ein lebendes Wesen aus dem Griff befreien wollen!
    Der Reif fiel, und bevor Oxlaj die Linke zurückziehen konnte, prallte er gegen den Handballen, sprang zur Seite und kam auf Oxlajs Handgelenk zu liegen. Als wäre genau dies sein Ziel gewesen – und später zweifelte Ts’onot nicht daran, dass dies auch so war – schnappten die zuvor versenkten Halbringe hervor und rasteten ein, sodass wieder ein geschlossener Reif entstand, der sich hauteng um Oxlajs Arm schmiegte.
    Für einen Moment hatte der Priester das Empfinden, dass etwas Schwarzes vor seinen Augen explodierte und ihn fast ohnmächtig werden ließ.
    Dann war der Spuk vorbei und er fing sich. Ungläubig starrte er auf seinen Arm und den Reif.
    Ts’onot meldete sich. »Alles in Ordnung? Hast du Schmerzen?«
    Oxlaj schüttelte den Kopf, in dem sich die Gedanken jagten. Was er erlebt hatte, konnte nichts anderes als Zauberei sein. Vielleicht gar Götterwerk? Ein unseliger Verdacht stieg in ihm auf. Hatte Ts’onot in seinem Eifer, ihm beizustehen, etwa einen … Gott getötet?
    Noch während er dem Gedanken nachhing, der ihn in Aufruhr versetzte, spürte er plötzliche Bewegung an seinem Arm.
    Der Reif – oder vielmehr die beiden äußeren Ringe – hatten begonnen, sich zu drehen! Dabei bildeten die Kerben im Zusammenspiel mit der mittleren, speerförmigen Einbuchtung immer wieder
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