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039 - Der schwarze Abt

039 - Der schwarze Abt

Titel: 039 - Der schwarze Abt
Autoren: Edgar Wallace
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Reitpeitsche im Takt auf und nieder tanzen. Seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Gleich würde sie ihn bemerken - und vielleicht Ärger zeigen, weil er sie beobachtet hatte? Bisher war er Leslie Gine nur bei offiziellen Gelegenheiten begegnet, wenn es galt, sich liebenswürdig konventionell zu geben.
    Der Gesang brach ab. Sie hatte ihn erblickt, stutzte aber nicht, sondern kam im gleichen Tempo auf die Anhöhe, unterwegs noch schnell eine hohe Brennessel köpfend.
    »Duckmäuser!« begrüßte sie ihn vorwurfsvoll.
    Leslie war ein hübsches Mädchen, nicht groß, aber durch ihre Schlankheit wirkte sie größer, hatte ein fein geformtes Gesicht und dunkelgraue Augen.
    Sie stellte sich vor ihm auf, breitbeinig, in hohen Stiefeln, eine Hand auf die Hüfte gestützt, während die andere mit der Reitpeitsche fuchtelte. Der schwarze Reithut saß ein wenig schief.
    Dick Alford schob einen Grashalm zwischen die Zähne und blickte von seinem vorteilhaften Platz auf der obersten Zaunlatte wohlwollend auf sie hinab.
    »Sind Sie geritten, Leslie?«
    »Auf einem Pferd«, verkündete sie feierlich.
    Unschuldig umherblickend fragte er:
    »Wo ist das liebe Tier?«
    Ein argwöhnischer Blick traf ihn. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht.
    »Als ich abstieg, um ein paar Blumen zu pflücken, rannte das Tierchen weg. - Sie sahen es!« klagte sie ihn plötzlich an.
    »Etwas, das einem Pferde glich, sah ich in Richtung Willow-Haus laufen. Ich dachte, es hätte Sie abgeworfen!«
    »Wegen dieser Vermutung werden Sie es jetzt suchen! Ich warte hier auf Sie.« Als er mit einem Seufzer vom Zaun sprang, fuhr sie fort: »Diesen Auftrag wollte ich Ihnen ohnehin geben. Als ich Sie sah, sagte ich mir: Dort sitzt ein Müßiggänger, der Bewegung braucht! Zudem wissen Sie vielleicht, daß zukünftige Schwägerinnen Vorrechte genießen.«
    Er verzog das Gesicht. Vermutlich hatte sie es bemerkt, denn sie hielt ihn mit ausgestreckter Hand auf.
    »Nein, lassen Sie es, Dick! Mein Reitknecht kann das Pferd suchen. Das Biest ist so verfressen, daß es sicher zum Stall gelaufen ist. Setzen Sie sich wieder, ich möchte mit Ihnen reden.« Ein Schwung, und sie saß auf dem Platz, den er verlassen hatte. »Richard Alford, mir scheint, daß Ihnen die Aussicht, mich als Herrin in Fossaway einziehen zu sehen, nicht gerade angenehm ist?«
    »Oh, ich zähle die Tage!«
    »Antworten Sie vernünftig!«
    Er zog ein verbeultes silbernes Etui aus der Tasche und zündete sich eine Zigarette an.
    »Meine liebe Leslie ...«
    Sie schüttelte unwillig den Kopf.
    »Wahrscheinlich denken Sie, daß ich mich überall einmischen werde. In die Leitung des Gutes - ich weiß, daß Harry nicht einmal mit einem kleinen Bauernhof fertig würde - und in alle möglichen Sachen. Aber eine solche Befürchtung wäre falsch.«
    Dick blies blaue Ringe in die Luft.
    »Ich wünschte im Gegenteil, Sie würden die Leitung übernehmen. Für mich wäre es ein Segen. Wenn das Gut erst einmal Ihr Geld im Rücken hat - verzeihen Sie das rüde Wort! -, kann irgendein Angestellter die geschäftlichen Dinge ebensogut erledigen wie der zweite Sohn des Hauses!«
    Sie hörte ihm stumm zu. Er sprach ohne Bitterkeit und Selbstbedauern.
    Richard Alford entstammte einer zweiten Ehe. Als der alte Lord Chelford starb, fiel das Vermögen, der Titel, ja selbst der Wagen, den Dick benutzte, an den ältesten Sohn. Der jüngere mußte sich mit einem kleinen Hof in Hertfordshire, der jährlich zweihundert Pfund abwarf, mit etlichem altem Schmuck seiner verstorbenen Mutter und tausend Pfund bescheiden. Und selbst die tausend Pfund erhielt er nie. Auf mysteriöse Weise versickerten sie damals, als Arthur Gine den Nachlaß ordnete.
    Dick fühlte sich wohler, wenn er an die tausend Pfund nicht dachte. Dennoch kamen sie ihm jetzt irgendwie in den Sinn. Und Leslie, als ob sie seine Zurückhaltung instinktiv mit ihrem Bruder in Verbindung brächte, fragte:
    »Sie mögen Arthur wohl nicht?«
    »Wie kommen Sie darauf?« Er war ehrlich überrascht. Nie hatte er seine Abneigung gegen den stutzerhaften Anwalt zu erkennen gegeben.
    »Ich spüre es. Auch mich bringt er manchmal zur Verzweiflung, und ich kann mir gut vorstellen, daß er einem Mann wie Ihnen unausstehlich sein muß.«
    Dick lachte.
    »Harry findet ihn keineswegs unausstehlich, und er ist der Mann, auf den es hier ankommt.«
    »Harry ... Es kommt mir so unwirklich vor, daß ich ihn heiraten soll. Seine Werbung war so komisch, Dick, so formell .«
    Dick
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