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0376 - Der Spiegel des Spuks

0376 - Der Spiegel des Spuks

Titel: 0376 - Der Spiegel des Spuks
Autoren: Jason Dark
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verließen, den kleinen, schnell fließenden Bach erreichten und freien Blick auf die Flammenden Steine bekamen, blieben sie abrupt stehen.
    Groß wurden ihre Augen.
    Mit allem hatten sie gerechnet, nur damit nicht.
    Aus den nach innen gekehrten Flächen der Steine waren glänzende Spiegel geworden…
    ***
    Die siebenjährige Caroline Jackson merkte nicht einmal, daß dicht über ihrem Kopf eine Krähe strich, so sehr hielt sie noch der Spuk des eben Erlebten gefangen.
    Ihre Mutter war verschwunden!
    Verschluckt, aufgesaugt von einer Fläche, die aussah wie ein runder Spiegel, in dem man sich selbst nicht sehen konnte. Aber sie war nicht mehr da, einfach weg, und Caroline begriff es noch immer nicht.
    Sie stand am Fuß der Treppe, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schaute auf das Denkmal.
    Ihre Lippen bewegten sich, und sie flüsterte immer wieder dasselbe Wort. »Mutter… Mummy … Mummy …« Der Schock saß tief bei ihr. Das eben Erlebte hatte die Welt des Kindes völlig durcheinandergebracht.
    Minuten vergingen.
    Von der jenseits der Wiesenfläche liegenden Straße her hörte sie das Geräusch eines fahrenden Wagens. Der Fahrer dort rollte vorbei, er sah nichts. Wie hätte er dem Kind auch helfen können?
    Es stand allein…
    Der Vogel kehrte zurück, strich wieder dicht an dem Mädchen vorbei und stieg in den blauen Frühlingshimmel, als wollte er mit ihm zu einer Einheit verschmelzen.
    Der Spiegel veränderte sich nicht. Nach wie vor blieb seine Flächeglatt, ohne Risse, Falten oder Einkerbungen. Er sah so aus, als wäre überhaupt nichts geschehen. Das Mädchen kam sich ebenfalls vor wie in einem Traum, aber die Mutter, die es begleitet hatte, war verschwunden. Daß sie bei ihrer Tochter gewesen war, davon zeugte das am Boden liegende Damenfahrrad.
    Die Angst kam von innen. Sie war wie ein gewaltiger Schub, der das Mädchen erfaßte und immer höher gedrückt wurde, bis er auch den Kopf erreichte.
    Caroline Jackson spürte den Druck, der sich besonders in ihrer Kehle und hinter den Augen ausgebreitet hatte. Sie kannte auch dieses würgende Gefühl, das sie stets dann überkam, wenn sie die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. So wie jetzt.
    Ihre Augen wurden naß. Das Tränenwasser strömte in langen Bahnen auf den schmalen Wangen des Mädchens nach unten.
    Caroline stand da und weinte. Sie sprach Worte, rief schluchzend nach ihrer Mutter, die sich nicht mehr melden konnte, weil etwas anderes zu stark geworden war.
    Komischerweise kam Caroline nicht auf die Idee, ihr Fahrrad zu nehmen und wegzuradeln. Irgend etwas bannte sie an diesem schrecklichen Ort. Das Mädchen ahnte, daß noch etwas geschehen würde.
    Das trat tatsächlich ein.
    Es war für Caroline, als würde sich der Spiegel öffnen. Zwar glänzte die Fläche nach wie vor wie poliertes Eisen, aber in ihrem Hintergrund sah sie etwas.
    Es war eine Bewegung.
    Zunächst kaum zu erkennen, mehr schatten- und schemenhaft, als wären Metalleinschüsse in Bewegung geraten, um sich an einer anderen Stelle wieder festsetzen zu wollen.
    Sie wanderten aufeinander zu und wurden mit jeder Sekunde, die verstrich, deutlicher.
    Etwas entstand.
    »Mummy?« Automatisch sprach Caroline den Namen aus. Sie konnte sich keine andere vorstellen, denn sie rechnete noch immer mit der Rückkehr ihrer Mutter.
    Antwort bekam sie keine.
    Dafür änderte sich die Form der Einschlüsse innerhalb des Spiegels. Sie wurden zusammengedrückt, so daß sie eine Figur bilden konnten, die einem Halbkreis glich.
    Damit könnte das Mädchen noch immer nichts anfangen, auch nicht mit den bogenförmigen Auswüchsen zu beiden Seiten der Halbkugel, die nie ruhig blieben und anfingen zu zittern.
    Gleichzeitig wurde die Fläche dunkler.
    Caroline spürte, daß etwas auf sie zukommen würde. Sie ging zurück, dachte nicht mehr an ihr Rad, stolperte darüber und fiel zu Boden. Sie lag auf dem Rücken, die Beine schwangen in die Luft, und sie drückte ihren Körper wieder vor.
    Diese kleine Zeitspanne hatte ausgereicht, um dem Spiegel in ein Denkmal zu verändern.
    In seiner kreisrunden Fläche malte sich genau der Gegenstand ab, der sie im nächsten Augenblick lautlos verließ.
    Es war eine riesige Spinne.
    Groß wie ein Bernhardiner, dabei asphaltgrau, mit acht Beinen, die winkelartig vom Körper abstanden, mit den Enden den Boden berührten und sich zuckend in Bewegung setzten.
    Die Spinne verließ den Spiegel. Es geschah mit einem groteskanmutenden Sprung. Auf einmal stand sie im Freien
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