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0374 - Der Inka-Henker

0374 - Der Inka-Henker

Titel: 0374 - Der Inka-Henker
Autoren: Jason Dark
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Juan Lazarro gewarnt sein und sich an den Rückweg machen müssen, aber seine Besessenheit blockierte den Verstand. Dieser Gang sah ihm so aus, als würde er zu einem Geheimversteck führen. Wer so schmal baute, hatte etwas im Sinn.
    Plötzlich lachte er.
    Kein normales Lachen drang über seine Lippen. Das waren bereits die schrillen Laute eines Gezeichneten oder eines dem Wahnsinn verfallenen Menschen.
    Er schob sich in den Gang. Bereits nach dem ersten Schritt stellte er fest, daß dieser Schlauch zu schmal für seinen Körper war. Mit den vorstehenden Schulterstücken des Rüstungspanzers schabte er über die Wände, so daß er sich gezwungen sah, den Körper zu drehen, damit er schräg in den Gang eintauchen konnte.
    Das Licht seiner allmählich herunterbrennenden Fackel wies ihm den Weg.
    Schritt für Schritt schob sich Lazarro weiter vor. Die Tiefe des Gangs nahm ihn gefangen. Das Gestein schien zu leben. Es bewegte sich, warf Schatten, sah immer anders aus, und Lazarro kam sich vor, als wäre er von zahlreichen Geistern umgeben.
    »Nein!« flüsterte er. »Nein, ich bin allein. Ich war immer allein, ich werde allein bleiben, und ich werde die verdammte Statue finden. Ich, Juan Lazarro…«
    Sein Lachen war grausam und hallend. Er ging schneller, stolperte sogar, stützte sich ab, lief weiter durch den engen schachtartigen Gang, hatte die Augen weit aufgerissen, und sein Gesicht wurde zur bleichen Fratze.
    Und da sah er ihn!
    Lazarro schrie im ersten Augenblick, stoppte sofort und drückte seinen Körper nach hinten, weil er von einem Gefühl der plötzlichen Angst erfaßt wurde.
    Ein Geist!
    Sein erster Gedanke war dies. Die Fackel hielt er in der linken Hand. Seine rechte fiel auf den Schwertgriff, er wollte die Waffe hervorholen und damit zuschlagen, doch der andere hatte die Bewegung bemerkt, streckte den Arm aus und befahl mit dunkler, dennoch volltönender Stimme: »Laß das Schwert stecken, Verblendeter!«
    Juan Lazarro hatte vor keinem Respekt, der nicht König war. In diesem Falle gehorchte er, und seine Rechte Hand bewegte sich nicht. Sie lag still auf dem Griff.
    Wer war dieser Mann?
    Lazarro schaute nach vorn. Das Fackellicht war nicht besonders hell, deshalb hatte er Mühe, den anderen etwas genauer zu erkennen. Der Spanier zwinkerte einige Male mit den Augen, denn diese Gestalt hatte er nicht innerhalb des Tempels vermutet.
    Er war uralt. Nur einen Lendenschurz trug er, der sich aus faserigen Stofflappen zusammensetzte. Die Spitzen seines langen Bartes berührten schon die Brust. Der Schädel war blank. Lange Narben durchzogen ihn, wie die Wadis eine trockene Wüstenlandschaft.
    Der Spanier atmete unregelmäßig. Er konnte nicht begreifen, daß es jemand in dem Tempel gab, der ihn aufhalten wollte. Damit hatte er nicht gerechnet, und so dauerte es eine Weile, bis er sich wieder erholt hatte.
    »Wer bist du?«
    »Der Hüter!«
    Lazarro lachte. »Welcher Hüter?«
    »Ich bin der Hüter des Henkers, und ich warne jeden Eindringling, ihm zu nahe zu kommen. Hast du verstanden?«
    »Ja, das habe ich. Aber ich sehe keinen Henker.«
    »Er befindet sich hinter mir!«
    »Wirklich, Alter?« Lazarro hatte sich wieder gefangen. Er konnte plötzlich logisch und nüchtern überlegen, und ihm war klargeworden, daß dieser Henker, von dem der Alte gesprochen hatte, mit der Statue, die er suchte, identisch war.
    So mußte es einfach sein. Klar, die Inkas hatten genau gewußt, was wertvoll war, und sie hatten deshalb Wachen aufgestellt. Gold bedeutete ihnen nicht viel. Wenigstens nicht das, was es für einen Mann aus der Alten Welt bedeutete.
    Doch die Statue mußte etwas Besonderes sein, sonst hätte sich der andere nicht so dafür eingesetzt.
    Lazarro wurde plötzlich falschfreundlich. »Darf ich ihn denn wenigstens sehen?« fragte er.
    »Nein.«
    »Und weshalb nicht?«
    »Du bist zwar ein hundertfacher Mörder, hast meine Freunde dahinmetzeln lassen, aber ich möchte nicht gleiches mit gleichem vergelten. Deshalb sollst du weggehen, denn wer die Statue an sich nimmt oder sie nur betrachtet, wird ihren Fluch zu spüren bekommen.«
    »Ach, so ist das«, sagte der Spanier. »Und das soll ich dir glauben?«
    »Du mußt es.«
    »Wenn ich aber nicht will?«
    »Wirst du sterben!«
    Dieser einfach dahingesprochene Satz hätte den Mann warnen müssen. Der aber dachte nicht daran, ihn zu befolgen. Er besaß die Arroganz der damaligen Europäer, die sich als Herren der Welt fühlten und sich von unterentwickelten Personen
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