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0346 - Der Kobra-Dämon

0346 - Der Kobra-Dämon

Titel: 0346 - Der Kobra-Dämon
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Abenddämmerung schimmerte, kroch hastig davon. Aber anders als normale Schlangen suchte sie nicht den Rest der Helligkeit, der Wärme, sondern verbarg sich in den Schatten, während sie sich ihren Weg suchte.
    Den Weg des Todes.
    ***
    Wang Lee Chan hatte den Weg gefunden.
    Von der Hölle aus gibt es Tore nach überallhin. Wer sie kennt, kann sie jederzeit benutzen, auch ohne beschworen worden zu sein. Der Mongole hatte beschlossen, den direktesten aller Wege zu gehen und die Kobra in ihrem Unterschlupf aufzusuchen. Dort würde er am effektivsten zuschlagen können.
    Es gab einen direkten Weg aus den Tiefen der Schwefelklüfte. Wang benutzte ihn, und er vergewisserte sich, daß er auf demselben Weg wieder verschwinden konnte.
    Er sah eine düstere Landschaft. Ein finsteres Gemäuer erhob sich. Wohnte die Kobra darin?
    Schädel, Knochenreste überall, Reste schauriger Mahlzeiten, die ein unbeschreibliches Ungeheuer hier gehalten haben mußte.
    Wang überprüfte seine Umgebung sorgfältig, ohne den Herrscher dieser Dimension um Erlaubnis zu fragen. Aber Wang konnte keine Fallen entdecken, dafür aber Spuren, die auf die vorübergehende Anwesenheit von Magnus Friedensreich Eysenbeiß hinwiesen. Der Herr der Hölle war also tatsächlich hier gewesen.
    Aber er war längst wieder fort. Die Spuren waren einige Stunden alt.
    Wang drehte sich um und erkundete die andere Himmelsrichtung. Dort funkelte der Himmel in kristallenem Blau, und im hellsten Sonnenlicht ragte eine mächtige Tempelkonstruktion auf. Plötzlich erschien es Wang logischer, die Schlange dort zu finden, als in dem finsteren Gemäuer in der umgekehrten Richtung.
    Er setzte sich in Bewegung. Er wußte, daß er in der weiten Ebene deutlich zu sehen sein mußte. Aber niemand schien ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Drüben am Tempel versammelten sich Gestalten in dunklen Kapuzenkutten.
    Kein Wunder, dachte Wang, und strich sich über den kahlen Schädel mit der Punktmuster-Tätowierung, daß Eysenbeiß sich dem Kobra-Wolf verbunden fühlt… er läuft ja auch immer in einer erdbraunen Kapuzenkutte herum, nur verbirgt er sein Gesicht hinter einer Silbermaske…
    Nach einer Weile erreichte Wang die Rückseite des Tempels. Vorsichtig drang er ein, um diesen Tempel zu erkunden. Er mußte die Schlange finden. Er würde der Kobra nachdrücklich klarmachen, wo die Grenzen waren.
    Für hinterhältige Intrigenspiele hatte Wang noch nie etwas übriggehabt. Er ging immer den direkten Weg. Und die Kobra sollte sich hüten, von ihm auf seinen Auftraggeber zu schließen und Protest gegen den Befehl des Fürsten der Finsternis bei Eysenbeiß zu erheben.
    »Du wirst es nicht wagen, Kobra«, murmelte er. »Weil ich von vornherein die Fronten deutlich abstecken werde…«
    Seit Wang Leibwächter des Fürsten der Finsternis war, fürchtete er die Dämonen nicht mehr als menschliche Gegner. Auch wenn er seine Unverwundbarkeit verloren hatte, änderte sich daran nichts. Er war bereit, den Kobra-Dämon notfalls auch zu erschlagen.
    Von vorn, an der Vorderseite des Tempels, wo die Menge sich versammelte, kam Lärm. Zischen und Fauchen, Rascheln und Rasseln. Und ein seltsamer, durch Mark und Bein gehender Gesang, der selbst Wang einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Dort begann eine unheilige Zeremonie.
    Wang grinste plötzlich.
    Was konnte er Wirkungsvolleres tun, als diese Zeremonie empfindlich zu stören?
    ***
    Jetzt wurde es Zamorra doch recht warm in seinem Sommeranzug. Das Amulett wirkte nicht, und der Dhyarra-Kristall war fort! Er mußte ihm aus der Tasche gerutscht sein, als die Kuttenträger Zamorra transportierten — oder er war gestohlen worden…
    Damit war der Parapsychologe waffenlos. Den Verlust des Amulettes hätte er leichter verschmerzt. Denn das funktionierte ja, und auch wenn es sich gegen den Schlangenkult wirkungslos zeigte, so hätte er es doch mit dem magischen Ruf jederzeit wieder zu sich holen können. Beim Dhyarra-Kristall ging das aber nicht.
    Mehr und mehr Kuttenträger versammelten sich unten vor der Tempelplattform. Der Schlangenkult schien massenhaft Anhänger zu haben. Woher sie kamen, konnte Zamorra nicht erkennen. Die sonnenbeschienene Ebene war weit zu übersehen, bis hin zu dem graubraunen, burgähnlichen Gemäuer in der Ferne, nirgends aber waren die Wege, über die die Kuttenmänner sich näherten. In den Kutten schienen sich hinter menschlicher Gestalt Schlangen zu verbergen. Das Zischen schwoll an zum fauchenden Brausen. Wie ein ganzes
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