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034 - Die toten Augen

034 - Die toten Augen

Titel: 034 - Die toten Augen
Autoren: Marc Agapit
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zu der anderen Öffnung und rief: „Tante Claire, streck deinen Arm durch die Öffnung. Ich möchte deine Hand berühren. Hörst du mich, Tante Claire? Gib mir deine Hand. Bitte!“
    Er erhielt keine Antwort. Tat sie es mit Absicht? Oder war sie eingeschlafen? Liebte sie ihn nicht mehr?
    Gerade wollte er noch einmal rufen, als er von ferne Schritte hallen hörte. Ihr Wärter würde jeden Augenblick da sein.
    Sofort war er aufgesprungen und hatte sich auf seinem Strohsack ausgestreckt. Der Wärter kam rasch näher und hielt vor der Tür inne. Fred begann, wie er es geplant hatte, zu jammern und zu seufzen, um den Eindruck zu erwecken, er sei krank.
    Der Mann schob das Tablett mit dem Frühstück durch die Öffnung. Es war ein reichliches englisches Frühstück mit Eiern, Schinken, Toast, Butterund bitterer Orangenmarmelade.
    Der Mann hatte das Jammern gehört. Einen Augenblick lauschte er, wartete, und entschloß sich dann die Tür zu öffnen. Dazu nahm er einen der Schlüssel an dem riesigen Schlüsselbund, den er an seinem Ledergürtel trug. Er trat ein und stellte seine Laterne auf den Boden.
    „Na, was ist denn mit Ihnen, fehlt Ihnen etwas?“ fragte er auf französisch mit einem leichten englischen Akzent.
    Er erhielt keine Antwort. Der junge Mann stöhnte ununterbrochen. Der Mann stellte das andere Tablett, das für Tante Claire bestimmt war, zu Boden. Langsam näherte er sich dem Lager des jungen Mannes.
    In diesem Augenblick sprang Fred auf und schlug mit der Faust zu. Der Wärter wich jedoch rasch beiseite, der Schlag ging daneben. Dann schwang er drohend einen Knüppel, der mit einem Haken an seinem Gürtel befestigt war.
    Als sein Angreifer sich nicht einschüchtern ließ, schlug er mit dem Knüppel auf dessen Faust. „Bitte, seien Sie still! Mylord, Ihr Vater hat mir völlige Gewalt über Sie gegeben. Denken Sie daran!“
    Der junge Mann sank wieder auf sein Lager und bettelte: „Doktor, lassen Sie mich doch gehen. Ich weiß, daß Sie ein guter Mensch sind. Sie können sagen, ich hätte Sie angegriffen und wäre geflohen. Später, wenn ich einmal reich bin, werde ich mich erkenntlich zeigen.“
    „Und sie?“
    „Sie? Lassen Sie sie auch fliehen.“
    „Unmöglich, Mylord. Sie haben Ihren Vater sehr beleidigt.“ „Er hätte uns ja aus dem Haus jagen können. Aber warum hält er uns schon so lange gefangen? Was hat er vor? Was will er von uns? Diese Behandlung ist doch unmenschlich. Wenn das die Polizei wüßte. Und Sie sind Mitwisser, Matthew. Gott wird Sie strafen.“
    Der Angesprochene hob die Schultern und sagte leise: „Sie haben etwas Furchtbares getan, junger Mann. Muß ich Ihnen das noch deutlicher sagen?“
    „Nein, nein“, schrie der andere. „Sprechen Sie dieses Wort nicht aus. Außerdem stimmt es gar nicht. Sie ist nicht meine Mutter, sie ist nicht einmal meine Tante, obwohl ich sie Tante Claire nenne.“
    „Sie ist die zweite Frau Ihres Vaters, Mylord.“
    „Ja, und? Übrigens, was geht Sie das eigentlich an?“
    Der Mann blieb die Antwort schuldig und ging rückwärts zur Tür. Dabei schwang er noch einmal drohend den Knüppel. Die Tür wurde von draußen sorgfältig abgeschlossen, dann hörte man das Klirren des Geschirrs nebenan. Die Schritte entfernten sich daraufhin, und wieder herrschte Grabesstille im Verlies.
    „Vater, Vater“, rief der junge Mann plötzlich verzweifelt. Aber nur das vielfache Echo antwortete, das von den Gewölben zurückgeworfen wurde. Langsam drang fahles Tageslicht in die Zelle.
    Mit einem heftigen Ruck sprang er auf, stürzte sich auf das Tablett mit dem Frühstück, hob es hoch und warf es mit aller Kraft gegen das Gemäuer seiner Zelle. Milch spritzte durch die Luft, und auf dem Steinboden lag ein unappetitlicher Berg von Scherben, Marmelade, ausgelaufenem Tee und Eiern. Ein Teller rollte scheppernd in die Ecke der Zelle.
    Er starrte einen Augenblick auf die Unordnung, die er angerichtet hatte, und hörte dann das leise Klirren von Geschirr in der Zelle nebenan.
    „Tante Claire“, rief er, „mach es wie ich. Wirf dein Frühstück auf den Boden. Wenn er sieht, daß wir nicht essen, muß er uns freilassen. Wenn er es nicht tut, sterben wir vor Hunger. Dann hat dieser Alptraum wenigstens ein Ende.“
    Anstelle einer Antwort hörte er das Klingeln eines Löffels, der an die Tasse stieß, und ein Kauen. Sie hatte schon immer das gute Essen geliebt. Errief:
    „Tante Claire, Tante Claire. Hörst du mich nicht? Ich muß dir etwas sagen.“
    Aber Tante
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