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0339 - Walpurgisnacht

0339 - Walpurgisnacht

Titel: 0339 - Walpurgisnacht
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Spieltischen erst einmal aus einigem Abstand. Nicole hatte sich bei Zamorra untergehakt.
    »Jetzt mußt du dich doch endlich wieder mal mit einer Krawatte einschnüren«, hatte sie schadenfroh bemerkt, Zamorra damit aber nur ein müdes Stirnrunzeln entlocken können. Er bevorzugte die Anzughemden offen getragen – zum Teil schon deshalb, weil er dann das vor der Brust getragene magische Amulett schneller einsetzen konnte –, aber im Casino wird die Kleiderordnung etwas strenger genommen als anderswo.
    Also hatte er sich eingeschnürt und versuchte, im weißen Anzug nicht neben Nicole zu verblassen, die sich in ein bodenlanges, aber vorn und hinten verwegen tief ausgeschnittenes Kleid gehüllt hatte, das metallischsilbern glitzerte und gleißte und fast mehr von ihrer Schönheit freigab, als es verdeckte. Stephan Möbius zeigte sich in hellgrauer Eleganz.
    »Oha«, sagte er plötzlich.
    Zamorra sah ihn fragend an. Möbius machte eine hinweisende Kopfbewegung zu einem Mann in schwarzer Cordsamtjacke, der an einem der Roulettetische saß, eine Menge Spielmarken vor sich aufgestapelt.
    Aufmerksam verfolgte er das Rollen der Kugel und rührte sich kaum, als seine Zahl kam und der Croupier ihm ein kleines Vermögen zuschob.
    »Da geht man nicht in Bad Homburger Casino, weil die Leute einen da kennen, und hier am Rand der Welt trifft man auch wieder auf Bekannte«, sagte Möbius. »Das muß Erwin Hoffach sein.«
    »Darf man fragen, woher du ihn kennst?«
    »Er hat eine Zeitlang für mich gearbeitet, in der Zentrale in Frankfurt. Vor einem halben Jahr hat er gekündigt, weil er sich wohl stellungsmäßig verbessern wollte, aber bei uns keine Aufstiegschancen hatte.«
    »Warum nicht?« fragte Nicole.
    »Er ist zwar fähig, aber ein verdammt arroganter Kerl. Für seine Karriere geht er über Leichen. Notfalls wäre er wohl sogar über meine marschiert. Freunde hat er, zumindest im Betrieb, keine. Seine Sekretärinnen wechselten im fast halbjährlichen Turnus, weil es keine bei ihm lange aushielt. Allein das wäre schon ein Grund gewesen, diesen Mann wegzuloben. Der andere Grund, der seinen weiteren Aufstieg bei uns blockierte, war ganz einfach, daß keine passende Stelle frei wurde. Ich war und bin nicht gewillt, für einen Aufsteiger einen anderen guten Mann oder eine gute Frau zu versetzen oder zu entlassen, und aus Altersgründen ist in den letzten zehn Jahren bei uns auch keine höhere Stelle mehr frei geworden.«
    Nicole und Zamorra nickten gleichzeitig. Möbius hatte ein relativ junges Managerteam um sich geschart. Bis von den Leuten jemand in Pension ging, dauerte es noch etliche Jahre.
    »Ließ er sich nicht in einer Auslandsvertretung unterbringen?«
    »Sicher. Aber nach Korea wollte er ebensowenig wie nach Brasilien. Dafür bekam er wohl, wie es hieß, von einem Kaufhauskonzern eine hochdotierte Stellung geboten, seinen Fähigkeiten entsprechend. Gut, wir haben ihm ein gutes Zeugnis gemacht, und weg war er. Es überrascht mich, ihn ausgerechnet hier wiederzusehen.«
    »Hier – in Bad Harzburg, oder hier – im Casino?«
    »Hier im Harz«, sagte Möbius. »Na gut, vielleicht erkennt er mich nicht wieder. Er weiß ja nicht, daß ich hier meinen unbegrenzten Kurlaub mache. Vielleicht hält er mich für meinen Doppelgänger. Jetzt will ich auf jeden Fall eine halbe Million gewinnen. Kommt ihr mit?«
    Sie folgten ihm zu einem der Tische, an dem zufällig zwei Plätze frei wurden. Nicole nahm hinter Zamorra Aufstellung. Sie wollte ohnehin nicht spielen. Möbius und Zamorra grinsten sich an und setzten. Nicole sah zu Erwin Hoffach hinüber. Er schien in eine Pechsträhne zu geraten.
    Nach dem anfänglichen großen Gewinn schmolz die Sammlung seiner Spielmarken wieder zusammen.
    Am eigenen Tisch rollte die Kugel. Schulterzuckend nahm Möbius hin, daß er seinen Einsatz verlor. Im nächsten Spiel gewann Zamorra einige größere Marken. Er nahm den Gewinn entgegen und räumte seinen Platz.
    »Schon keine Lust mehr?« staunte der alte Eisenfresser.
    »Weißt du – ich möchte nicht der Spielsucht verfallen und mein Château verspielen«, sagte Zamorra. »Ich gebe mich mit kleinen Gewinnen zufrieden.«
    Im nächsten Spiel gewann Möbius Spielmarken im Wert von über zwanzigtausend Mark. Er ließ sie stehen.
    »Du bist verrückt«, raunte Zamorra ihm zu.
    Der Gewinn verfünffachte sich. Da stand Möbius auf. »Ich glaube, du hast recht. Man soll aufhören, solange es läuft.« Er schob dem Croupier ein großzügiges Trinkgeld
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